Brigitte Reimann: „Ankunft im Alltag“ und „Franziska Linkerhand“

Eine Literaturlesung in Zusammenarbeit mit Contrazt e.V.

Freitag, 30.November 2018, 19.30 Uhr   —   MehrWertKultur, Nobleestr. 13a

Brigitte Reimann (1933-1973) zählt trotz ihres vergleichsweise wenig umfangreichen Werkes zu den bedeutendsten Autorinnen der DDR. Ihre schriftstellerischen Anfänge sind vom „Bitterfelder Weg“ geprägt, eine staatliche Initiative, welche das Arbeitsleben mit der Kultur in Verbindung bringen sollte – und umgekehrt.

brigitte-reimann

Bildrechte beim Dt. Rundfunkarchiv

Infolgedessen arbeitete Reimann ab 1960 neben ihrer Schriftstellerei im Kombinat „Schwarze Pumpe“ in Hoyerswerda, wo sie zu ihrer Erzählung „Ankunft im Alltag“ (1961) inspiriert wurde. Das Buch handelt von einer Abiturientin und zwei Abiturienten, welche sich vor ihrem Studium freiwillig „in der Produktion bewähren“ wollen und auf unterschiedliche Weise mit den ungewohnten Anforderungen umgehen. Während Recha und Nikolaus sich willig in die Brigade einordnen, verachtet Curt im Grunde das Arbeitsleben und versucht sich zu drücken, wo er kann. Sein Vater ist Kommunist und kommt aus einfachen Verhältnissen, ist aber nun der gut verdienende Leiter einer Textilfabrik. Mit Curts Person wird so das Entstehen einer neureichen, unpolitischen „Elite“ in der DDR kritisiert. Privat steht das Mädchen Recha zwischen dem angeberischen Claus und dem eher schüchternen Nikolaus, die beide um ihre Gunst buhlen.

Unter dem Titel „Ankunftsliteratur“ wurden später Entwicklungsromane der DDR-Literatur vornehmlich der sechziger Jahre zusammengefasst, die sich ebenfalls mit dem Weg des Individuums gegen anfängliche Widerstände hin zum sozialistischen Bewusstsein befassen.

Neben „Ankunft im Alltag“ zählt der unvollendete Roman „Franziska Linkerhand“ (posthum veröffentlicht 1974) zu Reimanns Hauptwerk. Die namensgebende junge Architektin geht in eine Kleinstadt, um dort den Wohnungsbau für die Arbeiter eines Kombinats zu planen (auch hier war Hoyerswerda das Vorbild). Die Heldin verzweifelt an dem Gegensatz der ökonomischen Zwänge (schnell und kostengünstig möglichst viele Wohnungen bauen) und dem Wunsch, menschenwürdige Wohnverhältnisse zu schaffen. Franziska sucht „die kluge Synthese zwischen Heute und Morgen, zwischen tristem Blockbau und heiter lebendiger Straße, zwischen dem Notwendigen und dem Schönen“. Der verkrachte Journalist Trojanowicz bestärkt sie in ihren beruflichen Zweifeln. Eine Liebesbeziehung zu ihm bringt ihr kein dauerhaftes Glück, er verlässt sie wieder. In der beruflichen Unzufriedenheit der Protagonistin kann eine Kritik am „real existierenden Sozialismus“ aufgrund der oft zu wenig vorhandenen Mitbestimmungsmöglichkeiten gesehen werden.

Nach Brigitte Reimanns frühem Tod aufgrund einer Krebserkrankung wurden auch ihre posthum veröffentlichten Tagebücher zu einem literarischen Erfolg. „Franziska Linkerhand“ wurde 1981 von der DEFA verfilmt, 2004 gab es eine Verfilmung ihres Lebens.

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