Trio Infernale: Die Troika, die geballte Macht

Laien’s Dok Film-Abend

Freitag, 10.Februar 2023
20.00 Uhr
Kulturverein Alles Wird Schön
Friedrich- Naumann- Straße 27

Europa wird zum Armenhaus

Inflationäre Preissteigerungen, explodierende Mieten, unbezahlbare Energiekosten: das sind die Sorgen, die die meisten Menschen zurzeit umtreiben.

Hauptursache hierfür sind letztlich weder der Krieg in der Ukraine, noch eine sog. Energiewende, sondern der Drang zur Vermögenskonzentration einer Handvoll mächtiger Finanzkonglomerate wie Black Rock und Co. Ohne, dass wir das im Alltag mitbekommen, verdienen diese immer mit. Ihr Vermögen, das sie „verwalten“, beträgt mittlerweile über 8 Billionen Dollar.

Die Zeche zahlen die Menschen, die abhängig beschäftigt sind, ob Festangestellte, kleine Selbstständige, Leiharbeiter, Hartz IV-Bezieher oder Rentner.

Wie war es möglich, in den vergangenen rund 20 Jahren die sozialen Sicherungssysteme dermaßen zu zerschlagen, dass eine so umfangreiche Ausplünderung und Verarmung stattfinden konnte?

Die Voraussetzung für den Umbau der Gesellschaft schaffen die neoliberalen und scheindemokratischen politischen Organe der Europäische Union und der vom „Westen“ dominierten Finanzinstitutionen. Darüber berichtet der Film, den wir dazu ausgesucht haben.

Die Technokraten der drei Institutionen Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und Europäische Kommission bildeten die sog. Troika, den Dreispänner. Seit 2015 heißt die „Troika“ in der Diplomatenwelt: „Die Institutionen„. Die seit den brutalen Spardiktaten bei den Griechen seit Jahren verhassten Kontrolleure der internationalen Geldgeber EU, EZB und IWF (und seit 2015 als viertes ein Vertreter des Euro-Rettungsfonds ESM) agieren ohne parlamentarische Kontrolle. Sie zwingen Staaten im Namen der „Finanzstabilität“ zu Sparmaßnahmen, die das gesamte soziale Gefüge gefährden. Der Filmemacher reiste nach Irland, Griechenland, Portugal, Zypern, Brüssel und in die USA, und befragte Minister, Ökonomen, Anwälte, Bänker, Betroffene. „Wer Geld hat, lebt; wer kein Geld hat, stirbt“, sagt der griechische Arzt Georgios Vichas.

Das globale kapitalistische Weltsystem in der Krise

…und die Gründe des Krieges in der Ukraine

Diskussionsveranstaltung am Dienstag, 27. September 2022, um 19:30 Uhr
im Mieterpavillon, Friedrich-Naumann-Str. 7

Hier die Stichpunkte des Veranstaltungsplakats zum Nachlesen

Erleben wir einen Krieg um „politische Werte“ (Demokratie vs. Autokratie, wie die Regierung behauptet) oder den Beginn eines langen Krieges um eine „neue Weltordnung“ (wie immer die auch aussehen mag)?

Bis vor einigen Jahren war globaler „Freihandel“ das Mantra westlicher neoliberaler Politik. In diesen letzten Jahrzehnten fand er unter der unumstrittenen Vorherrschaft der USA statt (= unipolare Welt; ein Pol, an dem sich das Weltgeschehen ausrichtete). Der ökonomische Aufstieg Chinas führte ab einem gewissen Punkt zur Abschottung und einem Wirtschaftskrieg des Westens gegen China, wie sich z.B. an den Strafzöllen gegen chinesische Unternehmen und dem Verbot der Beteiligung „gegnerischer Unternehmen an der „Kritischen Infrastruktur“ zeigte. Der in der Ukraine eskalierte Konflikt zwischen dem „Westen“ und Russland sowie die Auseinandersetzungen mit China um Taiwan haben das Ende der letzten Phase des globalisierten Kapitalismus deutlich gemacht.

Hat die Unerbittlichkeit des Krieges um die Ukraine etwas mit dieser historischen Etappe zu tun?

  • Eine oft geäußerte Sichtweise ist, dass die beherrschende Macht USA im Niedergang begriffen ist und der Ukrainekrieg seitens des Westens im Kern den Auftakt des eskalierenden Machtkampfes mit China darstellt. Es werden unterschiedliche Einschätzungen vertreten, ob der Abstieg des Westens in den nächsten Jahrzehnten noch aufgehalten werden kann oder bereits irreversibel ist.
  • Das Schlagwort von einer „multipolaren Welt“ wird als Gegenentwurf zum US- dominierten Weltsystem gebraucht. Die kommende Weltordnung solle eher auf Kooperation souveräner Nationalstaaten statt auf Unterordnung unter eine Supermacht basieren. Dieses Bild geht davon aus, dass eine kapitalistische Weltwirtschaft erhalten bleibt, jedoch ohne die politische Dominanz einer Supermacht.
  • Eine Variante der „multipolaren Welt“ ist das Szenario einer bipolaren Welt durch erneute Blockbildung („Westen“ vs. Russland & China). Der Ökonom Michael Hudson sieht in diesen Blöcken allerdings nicht nur zwei konkurrierende Machtsphären, sondern zwei Systeme, die sich gegenüberstehen.
  • Eine vierte Diagnose des Zustandes der Welt ist schließlich die, dass der Kapitalismus weltweit, d.h., auch in China, in eine letzte Phase des Zusammenbruches der Finanzialisierung eingetreten ist. Der Philosoph Fabio Vighi bspw. sieht keinen Unterschied zwischen den Finanzeliten Chinas und der USA. Er ordnet den Krieg (wie auch die Pandemie) in den Prozess des Zusammenbruchs der Finanzmärkte ein. Darin manifestiert sich das Scheitern das kapitalistischen Systems in seiner aktuellen Form (s. z.B. Guillaume Paoli und seine Bezeichnung des Kapitalismus als eines „Untoten“). Analog zu N. Kleins Analyse und der Betitelung des aktuellen Kapitalismus als „Katastrophenkapitalismus“ sprechen Fabio Vighi, Ernst Wolff oder auch Kees van der Pijl davon, dass die uns in der Vergangenheit präsentierten wie auch zukünftige Krisen davon abhalten sollen, diese Realität zu erkennen. Eine Realität, die überdeutlich belegt, dass das kapitalistische System schon über seine Grenzen hinaus ist und es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis es dann auch unübersehbar und unaufhaltbar zusammenbricht.

Wir wollen verschiedene Analysen der aktuellen Situation (Fabio Vighi / Ernst Wolff, Gegenstandpunkt und Michael Hudson) vergleichen und schauen, worauf diese Analysen eine Antwort geben und worauf nicht.

Den Vergleich der Analysen wollen wir anhand folgender Fragen vornehmen:

  1. Welche Kriegsgründe werden in den Texten benannt?
  2. (Womit) Erklärt die Analyse die Vehemenz, mit der der Ukraine-Krieg zur Sache der westlichen Regierungen wird?
  3. Geht die Analyse auf die Hintergründe des Krieges ein?
  4. Kann die Analyse – explizit oder implizit – erklären, warum die kleinen und mit-telständischen Unternehmen nun zur Gegenwehr bereit scheinen und warum die Großunternehmen eine andere Position einnehmen?

Bringt gerne weitere Fragen mit!

Diskutieren wollen wir anhand der so gewonnenen Erkenntnisse, wie wir die zukünftige Entwicklung einschätzen und über die Chancen, welche die aktuelle Situation, so düster sie auch sein mag, bietet.

Wer Lust hat, kann schonmal in folgende Texte reinlesen:

a) Fabio Vighi: Ein System auf der Intensivstation

b) Michael Hudson: Wirtschaftskrise und Krieg in der Ukraine

c) Redaktion Gegenstandpunkt: Drei Gründe für den Krieg in der Ukraine

d) Ernst Wolff: Das Gelegenheitsfenster:
https://www.rubikon.news/artikel/das-gelegenheitsfenster

„Die letzten Tage der Menschheit“. Eine szenische Lesung

Vor genau hundert Jahren veröffentlichte Karl Kraus die bitterböse Collage „Die letzten Tage der Menschheit“. In einer schier unendlichen Aneinanderreihung von grotesken Szenen zieht die „liberale“ Wiener Gesellschaft im Ersten Weltkrieg an uns vorüber. Ähnlichkeiten mit der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation sind … reiner Zufall.
Bertolt Brecht über Karl Kraus: „Als die Zeit Hand an sich legte, war er diese Hand“ …
Wir laden in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein „Alles Wird Schön“ dazu ein, zusammen und mit verteilten Rollen eine Auswahl seiner Szenen zu lesen!

Wer schonmal einen Blick auf das Werk werfen will, kann das über das Portal „Projekt Gutenberg“ tun:

https://www.projekt-gutenberg.org/kraus/letzttag/letzttag.html

Freitag, den 10.Juni 2022, 19 Uhr

Kulturverein „Alles Wird Schön“
Friedrich-Naumann-Str. 27

21075 Hamburg

„Wir halten den Betrieb besetzt“

Buchvorstellung und Film: Betriebsbesetzung des Zementwerkes Seibel & Söhne im westfälischen Erwitte im Jahr 1975

Dienstag, 26.11.2019, 19.30 Uhr im Mieterpavillon, Friedrich-Naumann-Str.7

1911_buchcover
Wer quält uns auf der Arbeit?
– Die Chefs und die Hierarchie
– Der Markt, der uns zwingt, uns unseren Kollegen gegenüber als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt zu verhalten

Wäre es nicht schön, wenn wir unser Leben gemeinsam organisieren würden und zusammen zu beschließen, was wir brauchen und wie wir das herstellen?

Das ist sozusagen die geschichtliche „große Frage“ nach dem Sozialismus: Eine Gesellschaft, in der es kein Privateigentum gibt und die Menschen selbstbestimmt arbeiten. Dass wir noch nicht in solch einer Gesellschaft leben, hat weniger mit einem göttlich bestimmten oder vom Gen-Code diktierten „Wesen des Menschen“ zu tun, als vielmehr mit den großen Schwierigkeiten, die zu lösen sind:

– Wie stellen wir uns in einer Weltgesellschaft einen Entscheidungsprozess über das vor,     was gebraucht wird?
– Wie sollten globale Produktionsprozesse gemeinsam organisiert werden?

In kleinen Lebenseinheiten, in der Familie, einem Stadtviertel oder Dorf oder einem überschaubaren Betrieb ist es zwar schwer, sich zu einigen, Rücksicht zu nehmen, u.U. zugunsten anderer zurückzustecken, es ist aber vorstellbar. Jedoch im Großbetrieb, einer Stadt, einem Kontinent, der Welt?? Fragen der Kommunikation müssen gelöst werden. Die Arbeitsteilung, aus der sich Hierarchien entwickeln, muss in Frage gestellt werden. Verbindlichkeiten müssen eingegangen werden u.v.m.

In den bisherigen Revolutionsversuchen der letzten 150 Jahre standen sich oft zwei unterschiedliche Lösungsansätze gegenüber:

Zum einen sog. „syndikalistische“ Ansätze; die deutsche Bezeichnung „Syndikalismus“ kommt vom französischen Wort „syndicat“, das seit dem 19.Jahrhundert einen Zusammenschluss von Arbeitern und Arbeiterinnen sowohl auf lokaler, als auch auf betrieblicher Ebene meinte. Es geht also über die heutige Gewerkschaft hinaus. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es auch in Deutschland eine starke syndikalistische Massenbewegung vor allem im Ruhrgebiet und in Thüringen. Sie setzte sich für einen freiwilligen Zusammenschluss der Arbeiter ohne eine zentralistische Verwaltungsstruktur und für eine lokale und betriebliche Selbstverwaltung ein. In diesem Zusammenhang gab es einige Betriebsbesetzungen und Versuche, bspw. Bergwerke und Stahlproduktion selbstorganisiert weiterzuführen.
Demgegenüber haben sich historisch die Ansätze durchgesetzt, die auf eine staatliche Verwaltung, also die Planwirtschaft setzten. Das ist spätestens 1989 zusammengebrochen und heute regiert wieder der „freie Markt“…
Arbeiter und Arbeiterinnen setzen jedoch auch immer wieder auf einer „kleinen Ebene“ das Mittel der Betriebsbesetzung ein. Oft war und ist es ein Weg des Überlebens in Krisenzeiten, wenn sich die Besitzer vorübergehend aus dem Staub gemacht haben, um sich nicht weiter um „ihre“ ArbeiterInnen kümmern zu müssen und fälligen Schulden zu entgehen. ArbeiterInnen übernehmen den Betrieb und führen ihn in eigener Regie weiter.

So bspw. seit 2012 bei der griechischen Kooperative Vio.me in Thessaloniki (Link zur deutschen Webseite) oder die seinerzeit zu Unilever gehörende Teeverpackungsfabrik Fralip in Gemenos bei Marseille (Link zur Artikelsammlung bei Labournet). Beide wurden nach harten Arbeitskämpfen von den ArbeiterInnen übernommen.
In anderen Situationen setzen Arbeiter und Arbeiterinnen die Besetzung ein, um den juristischen Eigentümer zu „erpressen“. Damit sind wir endlich bei der Besetzung des Zementwerkes Seibel & Söhne und im Jahr 1975!!

Näheres in einem Artikel der Zeitschrift „Graswurzelrevolution“ Nr. 396:
„Provinzielle Arbeiter gegen Parvenue-Kapitalist!1909_Erwitte
Vor 40 Jahren fand in Erwitte der längste Firmenstreik in der Geschichte der BRD statt (…)“ (hier der Link zum Artikel)

Wir wollen das Buch von Dieter Braeg inkl. einiger Filmdokumente vorstellen und anhand dieses und anderer Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit diskutieren, was wir in der oben angebeuteten „großen“ oder auch der „kleinen“ Perspektive von Betriebsbesetzungen halten!

1911_viomiArtikel über vergangene oder laufende Betriebsbesetzungen (zu ergänzen!)
Lip oder die Macht der Fantasie. Ein Lehrbeispiel für Kommunikation und Demokratie

(hier der Link zum Artikel)

»Dr. Schiwago« von Boris Leonidowitsch Pasternak (1890–1960)

Eine literarische Lesung am 25.Oktober 2019 um 19.30 Uhr bei MehrWertKultur, Nobleestr.13a

Hamlet

Lärm verstummt. Ich trat hinaus zur Bühne.
Angelehnt ans Rahmenholz der Tür
Forsche ich im Nachhall ferner Töne,
Was im Leben noch geschieht mit mir.

Fest auf mich der Nacht tiefdunkler Leere
Sich mit tausend Operngläsern dreht.
Abba, Vater, so es möglich wäre,
Gib, daß dieser Kelch vorübergeht.

Mir ist lieb dein unbeirrbar Planen,
Bin den Part zu spielen auch bereit.
Aber jetzt läuft hier ein andres Drama,
Und für dieses mal laß mich beiseit.

Doch durchdacht rückt Akt um Akt nun näher:
Nichts, das sich dem End entgegenstellt.
Bin allein. Ringsum nur Pharisäer.-

Leben ist kein Gang durch freies Feld.

(aus: »Schiwagos Gedichte«)

Mit dem Buch »Dr.Schiwago« setzte sich der hoch geehrte russische Dichter Pasternak 1956 tragischerweise zwischen alle Stühle: Die sowjetische Führung verstand seinen ersten und einzigen Roman als Abrechnung mit der Revolution und ließ ihn nicht drucken. Die erste Ausgabe erschien auf Italienisch bei dem linken, der Kommunistischen Partei Italiens angehörenden, Verleger Feltrinelli. Der amerikanische CIA verbreitete ohne Pasternaks Zutun die russische Ausgabe als Beispiel für antisowjetische Dissidenz. Ihm wurde der Nobelpreis für Literatur zuerkannt, den er aber letztendlich aufgrund der Drohung, ihn aus der Sowjetunion auszubürgern, ablehnte. Hollywood schließlich verwurstete 1965 den Roman zu einem Schmachtfetzen.doctor-zhivago

Der Roman ist nichts von dem, was in der Zeit des Kalten Krieges in ihn hineingedichtet wurde.

Es stimmt wohl, dass er eine Liebesgeschichte enthält, in die Juri Schiwago verstrickt ist, der zwischen seiner Frau Tonja und Lara hin- und hergerissen ist. Es stimmt wohl auch, dass das ganze hauptsächlich während der Zeit der Revolution 1917 und des ihr folgenden Bürgerkrieges mit all seinen Grausamkeiten spielt.

Es geht aber um mehr, die Liebesgeschichte steht gar nicht mal so im Mittelpunkt, dafür hätte er keine zehn Jahre an seinem Roman gearbeitet. In Schiwago steckt tatsächlich die Zerrissenheit Pasternaks und die seiner Schicht, des liberalen, kunstsinnigen und von der Gerechtigkeit träumenden Bürgertums der späten Zarenzeit. Pasternak / Schiwago begrüßten und unterstützten die gesellschaftliche Umwälzung nach 1917 – aber sie scheuen die notwendig auftretende Gewalt. Dabei ist ihnen bewusst, dass sie auch unter den neuen Verhältnissen von ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer Bildung und Beziehungen leben. Dieses Dilemma führt dazu, dass sie sich zurückziehen. Der Unentschiedenheit in Schiwagos Liebe entspricht die Unentschiedenheit in seinem gesamten Leben. So tatkräftig er im Alltag auch scheinen mag, so trifft er doch keine eigene Entscheidung.

Es sei denn die, einsam zu sein.

BORIS_BESIDE_THE_BALTIC_AT_MEREKULE,_1910_by_L.Pasternak

Boris Pasternak gemalt von seinem Vater Leonid (1910)

Pasternak, der vom Leben träumende Dichter und Wladimir Majakowski, der laute und krawallige »Lautsprecher der Revolution« waren miteinander befreundet.

In seiner Autobiographie zitiert Pasternak seinen Freund mit den Worten: »Wir sind völlig verschieden: Sie lieben den Funken im Blitz am Firmament, ich liebe ihn in der elektrischen Leitung.«

 

„I am Not Your Negro“

Dienstag, 29.Oktober 2019, 19.30 Uhr

Mieterpavillon, Friedrich-Naumann-Str.7

1910_BaldwinDer vor drei Jahren erschienene Film »I Am Not Your Negro« ist ein eindrücklich gemachter Dokumentarfilm. Er basiert auf dem Fragment »Remember This House« des afro-amerikanischen Schriftstellers James Baldwin (1924–1987). Baldwin plante Ende der 70er Jahre ein Resümee seiner Erfahrungen in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der USA zu schreiben – anhand seiner Erinnerungen an drei große Leitfiguren, die alle ermordet wurden: Zum ersten Medgar Evers, der eine wichtige Rolle in der Bürgerrechtsbewegung in den ländlichen Südstaaten der 50er Jahre gespielt hatte und 1963 von einem weißen Rassisten ermordet wurde. Dann Malcolm X, dem im Gefängnis zum Islam übergetretenen späteren Wortführer der Nation of Islam. Malcom X ist in den Ghettos von Detroit groß geworden. Für ihn war offensichtlich, dass die Hoffnungen vieler Bürgerrechtler aus dem Süden auf materiellen Aufstieg durch politische Integration und volle Bürgerrechte nicht erfüllt werden würden: Wenn die Bürgerrechtler die 400jährige Geschichte des staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus in ihrer Unreformierbarkeit nicht wahrhaben wollten, so Malcom X, würden sie nur den trügerischen Versprechungen der »liberalen« Weißen auf den Leim gehen. Daraus folgerte er, dass es für die Schwarzen zunächst vor allem darum gehen solle, wieder Selbstbewusstsein zu erlangen, wenn nötig mit Gewalt. Unter dem Einfluss des antikolonialen Kampfes in Afrika und Asien und seinem Kontakt dort mit anderen, auch »weißen« Unterdrückten, rückte Mitte der 60er Jahre die grundsätzliche Möglichkeit eines gemeinsamen Kampfes aller Unterdrückten in seinen Horizont. 1965 wurde er von Mitgliedern der Nation of Islam als Verräter ermordet.

Eine ähnliche Entwicklung, wenn auch von einer anderen Ausgangsposition, nahm Martin Luther King. Auch er vertrat zunächst die „Sache der schwarzen Bevölkerung“. Sein Ziel war die Integration der Schwarzen in die weiße Gesellschaft. Der Aufstand der afroamerikanischen Bevölkerung des Los Angeler Stadtteil Watts im Jahr 1965 mit 34 Todesopfern zeigte ihm die Dringlichkeit, nicht nur die politische Gleichberechtigung von Minderheiten einzufordern – entscheidend wurde für ihn zunehmend die Frage sozialer Gerechtigkeit, somit der Kampf gegen die kapitalistische Form der Gesellschaft. Von seinem nun sozialreformerischen, bzw. sozialrevolutionären Standpunkt aus initiierte er 1968 die „Poor People’s Campaign“ und den „Poor People’s March on Washington„, in der Arme aller Hautfarben und Nationalitäten ihre Gleichberechtigung einfordern wollten. Es ging ihm nicht mehr „nur“ um die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung Schwarzer, sondern um die Beseitigung sozialer Missstände und den Kampf gegen Armut, Krieg und Unterdrückung. Mit seiner Politik des gewaltlosen Widerstandes war King eine prägende Figur der Bürgerrechtsbewegung. Durch seine vehemente und beharrliche Ablehnung des Krieges Ende der 60er Jahre zog er große Wut und Ablehnung von etablierten Vertretern der Bürgerrechts­bewegung auf sich. Viele fürchteten um die finanzielle und politische Unterstützung der weißen Liberalen. King wurde 1968 ermordet.

Der Regisseur Raoul Peck kontrastiert Textpassagen aus Baldwins Buchfragment mit filmischen Sequenzen aus den 50er und 60er Jahren und Aufnahmen der »Black Lives Matters«- Bewegung der letzten Jahre in den USA (= »Schwarze Leben zählen!«, eine Bewegung gegen die rassistische und oft tödliche Gewalt der Polizei, sowie die Weigerung des Justizapparates, diese Taten zu ahnden). Heraus kommt ein sehr beklemmendes Bild der Kontinuität des Rassimus in den USA.

Allerdings hat der Film auch entscheidende Leerstellen. Peck geht es um eine afro-amerikanische Identität und er will mit Baldwin einem weißen Publikum zeigen, dass der Rassismus bis heute Realität ist. Aus diesem Bemühen heraus werden die drei Protagonisten einfach zu drei mutigen Menschen, die ihr Leben ihrer Sache geopfert haben. Eine politische Auseinandersetzung mit der Bürgerrechtsbewegung vermeidet der Film. Er spricht nicht über das Auseinanderbrechen der Bürgerrechtsbewegung aufgrund von verschiedenen Positionen zum Vietnamkrieg. Er schweigt auch über die ökonomische Spaltung der Bürgerrechtsbewegung zwischen einer kleinen Mittelschicht, deren Integration tatsächlich anfing, und einer Mehrheit von proletarischen Massen in den Slums der Großstädte.

Der Film kann auf der Webseite der Bundeszentrale für Politische Bildung angeschaut werden:

http://www.bpb.de/mediathek/283417/i-am-not-your-negro

Wir wollen uns kritisch mit der Leerstelle des Films – nämlich der Auslassung der identitätsübergreifenden Klammer des Klassenkampfes – beschäftigen.

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Link: Dr. King’s Vision: The Poor People’s Campaign of 1967-68

Link: JAMES BALDWIN’S JOURNEY (auf englisch)

Ein Artikel aus der Zeitschrift „Socialist Worker“ vom September 2017

Ronnie Flores introduces the writings of one of the 20th century’s great novelists and essayists–and his political transformation in the era of the Black freedom struggle.

THE WRITER James Baldwin is being rediscovered today, particularly by a new generation of radicals, nearly 30 years after his death in 1987.

It easy to understand why participants in the Black Lives Matter struggle or other movements would look to Baldwin. His words express as well as anyone the profound sense of alienation felt by the oppressed. (…)“

 

Das Einzelne und das Ganze – Wie können wir die Gesellschaft bewegen?

1909_GelbwestenDiskussionsveranstaltung

17.September 2019 – 19.30 Uhr

Mieterpavillon,

Friedrich-Naumann-Str.7

Achtung: Ausnahmsweise nicht am letzten Dienstag des Monats!!

 

1968“ ist ein Sammelbegriff für eine Bewegung, die zweifellos die Gesellschaft verändert hat.
1917“ ebenso.

Heute dagegen sehen wir ein buntes Kaleidoskop von vielen einzelnen Bewegungen, die auf- und wieder abebben: Klima-, Tierrechts-, Schwulen-, Anti-AKW-, Recht auf Stadt-Bewegung usw.

Oft geht es um die Durchsetzung bestimmter Einzelforderungen, mal geht es um die Fridays for future (March 15 2019)gesellschaftliche Akzeptanz kultureller Identitäten. Am ehesten hat es noch die Bewegung zwischen 2008 und 2011, die von Occupy über die Platzbesetzungen in Südeuropa bis zum „Arabischen Frühling“ reichte, geschafft, eine globale Vision von sozialer Gerechtigkeit und Basisdemokratie sichtbar werden zu lassen.

Was macht also eigentlich eine Bewegung aus, die die Gesellschaft verändern kann? Und was unterscheidet eine Initiative von einer Bewegung?

Wir wollen in der Veranstaltung nach unseren Perspektiven fragen.

Als Einstieg ein paar Fragen an uns und an euch…:

Warum haben wir uns in den letzten Jahren in den verschiedenen Bewegungen in Hamburg engagiert?

Aber auch umgekehrt: Warum haben wir uns in den letzten Jahren in den verschiedenen Bewegungen in Hamburg nicht engagiert?

…und ein paar Gedanken / Antworten von uns:

  • Die soziale Differenzierung spiegelt sich in Protesten wider; man bewegt sich im Betrieb und im Alltag nicht mehr selbstverständlich in einem Umfeld, das gleiche Erfahrungen teilt. Wenn sich andere Menschen zusammentun, kann man sie spontan erstmal als fremd wahrnehmen.
  • Bewegungen, die sich von vorneherein auf „andere“ beziehen, also zur Solidarität auffordern, machen es auf der einen Seite leichter, sich praktisch einzubringen. Auf der anderen Seite kann das aber auch polarisieren, weil es keinen Raum gibt, widerstrebende Interessen zu formulieren.
  • Kulturelle Identitäten ermöglichen ein Zusammengehörigkeitsgefühl über soziale Unterschiede hinweg, wirken aber auch ausschließend.
  • Bewegungen müssen eine kollektive Handlungsperspektive eröffnen, die eigene Rolle in der Familie, auf der Arbeit und gegenüber dem Staat zu verändern!

Wir freuen uns auf eine anregende Diskussion!

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Eine kleine Auswahl von Einschätzungen zu Bewegungen der letzten Jahre (zu ergänzen!):

  • Gelbwestenbewegung in Frankreich

Gelbe Westen. Eine Korrespondenz aus Frankreich

In: Theorie & Praxis – Sozialismus in Wissenschaft und Politik, 23. Februar 2019

https://theoriepraxis.wordpress.com/2019/02/23/gelbe-westen/

 

„Die Produktion von Wissen und die Produktion von Konflikten – das gehört für uns zusammen“

Ein Gespräch über die Gelbwesten-Bewegung mit Davide Gallo Lassere von der Plattform für militante Untersuchungen (Paris)

16.Juli 2019

https://translibleipzig.wordpress.com/2019/07/16/die-produktion-von-wissen-und-die-produktion-von-konflikten-das-gehoert-fuer-uns-zusammen-praktische-erfahrungen-in-der-gelbwesten-bewegung/

Christa Wolf: „Der geteilte Himmel“ und „Medea. Stimmen“.

Lesung aus Werken von Christa Wolf

30.August 2019, 19.30 Uhr bei MehrWertKultur, Christa Wolf und Ehemann Gerhard WolfNobleestr.13a

Unbestritten war Christa Wolf (1929 – 2011) eine der prominentesten Schriftstellerinnen der DDR und sie hat unsere Lesungen schon ein paarmal gestreift: Sie gehörte zu den SchrifstellerInnen, die den Appell des sog. Bitterfelder Weges ernstnahm, der forderte, Kultur mit Arbeitern zusammen zu schaffen. So arbeitete sie zeitweise in einer Brigade im Waggonbauwerk Ammendorf, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann auch einen „Zirkel Schreibender Arbeiter“ leitete. Diese Erfahrungen teilte sie u.a. mit Brigitte Reimann, mit der sie bis zu deren Tod 1974 eine enge Freundschaft verband. Und mit Werner Bräunig, dessen zu realistischen Roman „Rummelplatz“ über die Wismut AG und den Uranbergbau sie gegen Vorwürfe der Parteileitung 1965 in Schutz nahm. Und schließlich mit Volker Braun, der 2011 die Abschiedsrede bei ihrer Beerdigung hielt.

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Der geteilte Himmel (1963, ihr zweiter Roman)
1908_Wolf_Himmel„Den Himmel wenigstens, können sie uns nicht teilen. – Doch, der Himmel teilt sich zuallererst“.

Dieser Satz war es, der mich mit damals knapp zwanzig Jahren, bewogen hat, das Buch „Der geteilte Himmel“ von Christa Wolf zu lesen. Ich weiß nicht mehr, wie ich den „Rest“ dann gefunden habe, aber die erneute Lektüre, mehr als dreißig Jahre später, lässt mich wieder mit diesem Satz zurück, der aufs Genaueste zusammenfasst, worum es in diesem Buch geht. Ja, worum eigentlich? Man mag es für eine Liebesgeschichte halten, die da präsentiert wird, aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Denn der Hauptfokus liegt darauf, dass nichts, auch nicht die Liebe, im luftleeren Raum stattfindet. Alles, auch unser Fühlen und Denken, ist eingebettet in Zeit und Raum, die Gesellschaft, in der wir leben und in die Wünsche, Hoffnungen und Ideale, die wir haben und nach denen wir streben. Und all dies lässt sich nicht immer in Einklang bringen. Wonach richten wir unser Handeln aus, was sind die Grundlagen, auf denen wir Entscheidungen treffen, und – die wohl wichtigste Frage, die das Buch aufwirft: Sind Entscheidungen gut und richtig, wenn sie sich richtig anfühlen? Es gibt auch eine Antwort, sie lautet: Nein. Es gibt richtige Entscheidungen, die sich schrecklich anfühlen, es kann Gräben geben, die sich auftun, wo wir zuvor sicheren Grund gespürt haben, es gibt im Herzen nicht nur Platz für die Liebe, sondern dort wohnen auch die Ideale, die Hoffnungen und Vorstellungen von einer besseren Welt. Und in dem Augenblick, in dem diese in Widerstreit treten, müssen wir uns entscheiden. Und solche Entscheidungen können einen zerreißen. Es kann schier unerträglich sein, das „Richtige“ zu tun – ebenso wie es einen zerstören kann, nur blind der Liebe zu folgen. Die Protagonistin des Buches tut das Richtige und geht daran fast zugrunde. In vielerlei Hinsicht beschreibt dies eine spezifische Frauenrealität, denn für Männer stellen sich solcherart Entscheidungen viel seltener. Aber der Konflikt, den Wolf ins Zentrum des Buches stellt, stellt auch eine Realität dar, die es in dieser Form nur in der DDR, nicht aber der BRD gegeben hat. Gehen oder bleiben, das waren für lange Jahre existentielle Entscheidungen, die den Bruch mit allem Gewesenen nach sich zogen. Was dies auf der ganz persönlichen Ebene bedeutete, wird hier gleichermaßen brutal, wie auch einfühlsam dargestellt.
Aus diesem vielschichtigen, klug und emotional, aber niemals larmoyant geschriebenen Büchlein wollen wir einige Etappen lesen.

„Medea. Stimmen“1908_Wolf_Medea

Medea ist 1996, also nach der „Wende“, erschienen. Wolf nahm den antiken Mythos um Jason und Medea auf und interpretierte ihn radikal neu. In der klassische Version sind die Themen die Jagd des griechischen Helden nach dem Goldenen Vlies (ein Schaffell) im sagenhaften Goldland „Kolchis“ mit seinen archaischen Bewohnern, die den Wert des Goldes nicht zu schätzen wissen; der Verrat der kolchischen Prinzessin Medea an ihrem Vater um der Liebe zum Helden Jason willen; dessen Verrat an Medea und ihre blutige Rache. Bei Christa Wolf schimmert ihre Auseinandersetzung um den Untergang der DDR und ihre Übernahme durch die kapitalistischen Gesellschaft durch, ihre Erfahrungen der Treibjagd der 90er Jahre gegen sie aufgrund des Fehlens der geforderten Distanz zur DDR und grundsätzlich einer patriarchalen Deutungshoheit geschichtlicher Prozesse. Sie hat allerdings keine simple Fabel vorgelegt, sondern ein vielschichtiges Werk, das durchaus um „Menschheitsfragen“ kreist.

„Wir leben verkehrt“. Ein Interview mit Christa Wolf über „Medea“ in: DIE ZEIT vom 25.10.2007 – Link

Edward Bernays: Pionier der Meinungsmanipulation

(Film-)Veranstaltung

Dienstag, 30.April 2019 um 19.30 Uhr

Mieterpavillon Heimfeld – Friedrich-Naumann-Str.7

Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson stand 1917 vor einem Problem: Er war gerade erst mit dem Versprechen wiedergewählt worden, die USA aus dem Weltkrieg herauszuhalten. Nun hatte jedoch die us-amerikanische Industrie durch den Krieg in Europa einen ungeheuren Boom erlebt. Dummerweise schien sich der Krieg jedoch zu erschöpfen: Im Februar 1917 brach die zaristische Regierung in Russland unter der Losung „Brot und Frieden“ zusammen, zehntausende französische Soldaten meuterten, in Deutschland streikten tausende Arbeiterinnen u.a.m. Der Krieg sollte aber unbedingt weitergehen – was also tun??
Wilson schuf kurzerhand Fakten und erklärte dem Deutschen Reich den Krieg. Um im 1904_bruteNachhinein die Gesellschaft auf seinen Kurs einzuschwören, gründete er das „Committee on Public Information“ (CPI). Diese baute im ganzen Land einen Apparat auf, in dem Prominente (z.B. Schauspieler) und lokale große und kleine Kriegsprofiteure ehrenhalber die Massen auf Krieg einstimmen sollten. Neben aktiver Werbung für den Krieg, war das Ziel der Aktivitäten des CPI vor allem der „enemy within“, der Feind im Inneren: Kriegsgegner, Schwarze, die Arbeiterbewegung sowie deutsche Einwanderer, die zu diesem Zeitpunkt die größte Gruppe innerhalb der (politisch sehr aktiven und gegen den Krieg eingestellten) Arbeiterschaft stellten. Staatlich legitimiert begann eine Hatz auf vermeintliche deutsche Spione und allgemein „Feinde“. Das CPI koordinierte entsprechende Aktionen und stellte das notwendige Propagandamaterial (z.B. fertig formulierte Reden) zur Verfügung. Hier tauchte dann zum ersten Mal ein junger Mann auf, der in den folgenden Jahrzehnten zum Pionier der Propaganda aufsteigen sollte: Edward Bernays (1891 bis 1995).
Während des Krieges hatte sich in den amerikanischen Fabriken die Massenproduktion als Herstellungsmethode von Kriegsgütern (z.B. Munition) durchgesetzt. Diese Fertigungsweise wurde nach dem Krieg auf zivile Güter übertragen. Für die nun massenhaft produzierten Dinge waren jedoch auch Konsumenten notwendig. So widmete sich Bernays nach Friedensschluss diesem „Problem“ und brachte seine Fertigkeiten in die Werbung ein. Er lernte viel von seinem Onkel, dem Psychoanalytiker Sigmund Freud, und entwickelte Strategien, die zu verkaufenden Waren mit einer spezifischen Mentalität zu verknüpfen. Er wollte nicht konkrete Bedürfnisse erfüllen helfen, sondern die Waren als Attribute der Selbstdarstellung inszenieren.
1904_LuckyEin bekanntes Beispiel ist seine Kampagne für die American Tobacco Company im Jahre 1929. Diese wollte Frauen, denen bis Ende der 20er Jahre das Rauchen in der Öffentlichkeit verboten war, als neue Zielgruppe erreichen. Bernays überredete dazu zunächst die Modeindustrie, den spezifischen Grünton der Lucky-Strike-Packungen zur Farbe der Saison zu machen. Dann bezahlte er eine Gruppe von Frauen, die sich bei der traditionellen Osterparade als Suffragetten (Frauenrechtlerinnen) verkleideten. Als beauftragte Journalisten sie fotografierten, zündeten sie Zigaretten an und proklamierten diese als „torches of freedom“ (Fackeln der Freiheit) – mit großem Erfolg. Rauchen wurde zum Symbol für die emanzipierte, unabhängige, moderne Frau. Edward Bernays wurde in den darauf folgenden Jahren zum „Vater“ der Public Relation – nicht nur, weil er diesen Begriff erfand, sondern weil es ihm in vielen Situationen und zu zahlreichen Anlässen gelang, zuverlässig die Reaktion in der jeweiligen Zielgruppe seiner Werbestrategie hervorzurufen, die er hervorrufen wollte.
Heute sind die Methoden der „public relation“ wichtiger denn je und nicht mehr nur in der Werbung verbreitet, sondern zunehmend bedient sich ihrer auch die Politik, die mittlerweile ganz selbstverständlich auf große PR-Agenturen zurückgreift, wenn Wahlen anstehen. Es geht eben nicht mehr darum, die Wähler mit Argumenten zu überzeugen, sondern um „Meinungsmache“ ganz im Sinne von Bernayes.
Wir zeigen eine französische Fernsehdokumentation von 2017, in der Bernays‘ Werdegang nachgezeichnet und die Wirkungsweise von Public Relations deutlich gemacht wird.

Volker Braun: »Hinze-Kunze-Roman« und »Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer«

1903_Braun_IFreitag, 29.März 2019, 19.30 Uhr
MehrWertKultur,
Nobléestraße 13a in Heimfeld

 

Der im Mai 1939 in Dresden geborene Schriftsteller Volker Braun hat Gedichte, Theaterstücke und Romane geschrieben; neben Peter Hacks und Heiner Müller zählt er zu den bedeutendsten Dramatikern der DDR. Heute lebt er in Berlin.

 

Im Rahmen unserer Reihe mit Literatur aus der DDR wollen wir aus zwei Romanen von ihm lesen:

Der 1983 erschienen »Hinze-Kunze-Roman« hat die Widersprüchlichkeit der DDR-Gesellschaft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zum Thema:

»Wer sind Hinze und Kunze? Wie die Redensart es will und der real existierende Sozialismus, sollten sie Gleiche sein; um so auffälliger, dass sie es nicht sind. Kunze ist Funktionär, Hinze ist sein Fahrer. Kunze sagt wohin und Hinze fährt den schwarzen Tatra durch die Republik. Vorwärts, das ist ihre Richtung.« (aus der Beschreibung des Suhrkamp-Verlages)

»Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer« erschien 2008. Eine Art Schelmenroman?

Der Meister Flick aus Lauchhammer war zu DDR – Zeiten in der Braunkohle der Lausitz der Held der Havarien und Katastrophen: Wenn er in seiner Kluft, mit rotem Helm und Karabinerhaken am Koppel auftauchte, wurde es ruhig. Doch nach der Wende schickte man ihn zum Arbeitsamt, man brauchte ihn nicht mehr. In der Folge zieht der an seiner Arbeit Hängende mit seinem »faulen und gerechten« Enkel Luten durch die Lande. Das ungleiche Paar aus alter und neuer Zeit erlebt allerhand z.T. groteske Abenteuer zwischen Arbeitsamt, 1€-Job, Abrisskolonnen, Theatermachern, polnischen Tagelöhnern, Prostituierten, Streikenden und vielen anderen.

Zum Autor:
Sein Vater war ein Kunst liebender Buchprüfer. Nach dem Abitur arbeitete er vier Jahre in einer Druckerei, als Tiefbauarbeiter im Kombinat Schwarze Pumpe in Hoyerswerder und als Maschinist im Tagebau Burghammer. 1960 fand er sich in einem „Zirkel schreibender Arbeiter“ ein, der von Brigitte Reimann geleitet wurde; sie notierte in ihrem Tagebuch:
„Vorige Woche hat sich der Zirkel schreibender Arbeiter konstituiert. Von 20 Eingeladenen waren 4 erschienen; keine Potenzen nehme ich an. Nur der kleine Volker Braun, Abiturient und seit 4 Jahren in der Produktion, scheint begabt zu sein.“
Im selben Jahr begann er an der Universität Leipzig ein Studium der Philosophie. Ein paar Jahre später arbeitete er auf Einladung von Helene Weigel als Dramaturg am Berliner Ensemble. Der Einmarsch des Militärs der Ostblockstaaten in Prag ließ ihn seinen uneingeschränkten Enthusiasmus für den Aufbau des staatlichen Sozialismus in der DDR kritisch hinterfragen, ohne jedoch die DDR selbst in Frage zu stellen.
Das Umgehen des Staates mit seiner Person schwankte zwischen der intensiven Überwachung durch die Staatssicherheit und öffentlichen Preisverleihungen.
„Während der friedlichen Revolution 1989 gehörte er zu den Befürwortern eines eigenständigen „dritten Weges“ für die DDR und geladener Erstunterzeichner des Aufrufs „Für unser Land“. Nach der Wiedervereinigung beschäftigte er sich kritisch mit den Gründen für das Scheitern der DDR. In diesem Zusammenhang steht auch seine Zusammenarbeit mit der von Wolfgang Fritz Haug herausgegebenen westlich-marxistischen Zeitschrift „Das Argument“.
Volker Braun leitete 2006–2010 an der Akademie der Künste (Berlin) die Sektion Literatur. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.“ (Wikipedia)

Das Gedicht „Das Eigentum“ von 1990:

Das Eigentum
Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen.
KRIEG DEN HÜTTEN FRIEDE DEN PALÄSTEN.
Ich selber habe ihm den Tritt versetzt.
Es wirft sich weg und seine magre Zierde.
Dem Winter folgt der Sommer der Begierde.
Und ich kann bleiben wo der Pfeffer wächst.
Und unverständlich wird mein ganzer Text.
Was ich niemals besaß wird mir entrissen.
Was ich nicht lebte, werd ich ewig missen.
Die Hoffnung lag im Weg wie eine Falle.
Mein Eigentum, jetzt habt ihrs auf der Kralle.
Wann sag ich wieder mein und meine alle.