Freitag, 10.Februar 2023 20.00 Uhr Kulturverein Alles Wird Schön Friedrich- Naumann- Straße 27
Europa wird zum Armenhaus
Inflationäre Preissteigerungen, explodierende Mieten, unbezahlbare Energiekosten: das sind die Sorgen, die die meisten Menschen zurzeit umtreiben.
Hauptursache hierfür sind letztlich weder der Krieg in der Ukraine, noch eine sog. Energiewende, sondern der Drang zur Vermögenskonzentration einer Handvoll mächtiger Finanzkonglomerate wie Black Rock und Co. Ohne, dass wir das im Alltag mitbekommen, verdienen diese immer mit. Ihr Vermögen, das sie „verwalten“, beträgt mittlerweile über 8 Billionen Dollar.
Die Zeche zahlen die Menschen, die abhängig beschäftigt sind, ob Festangestellte, kleine Selbstständige, Leiharbeiter, Hartz IV-Bezieher oder Rentner.
Wie war es möglich, in den vergangenen rund 20 Jahren die sozialen Sicherungssysteme dermaßen zu zerschlagen, dass eine so umfangreiche Ausplünderung und Verarmung stattfinden konnte?
Die Voraussetzung für den Umbau der Gesellschaft schaffen die neoliberalen und scheindemokratischen politischen Organe der Europäische Union und der vom „Westen“ dominierten Finanzinstitutionen. Darüber berichtet der Film, den wir dazu ausgesucht haben.
Die Technokraten der drei Institutionen Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und Europäische Kommission bildeten die sog. Troika, den Dreispänner. Seit 2015 heißt die „Troika“ in der Diplomatenwelt: „Die Institutionen„. Die seit den brutalen Spardiktaten bei den Griechen seit Jahren verhassten Kontrolleure der internationalen Geldgeber EU, EZB und IWF (und seit 2015 als viertes ein Vertreter des Euro-Rettungsfonds ESM) agieren ohne parlamentarische Kontrolle. Sie zwingen Staaten im Namen der „Finanzstabilität“ zu Sparmaßnahmen, die das gesamte soziale Gefüge gefährden. Der Filmemacher reiste nach Irland, Griechenland, Portugal, Zypern, Brüssel und in die USA, und befragte Minister, Ökonomen, Anwälte, Bänker, Betroffene. „Wer Geld hat, lebt; wer kein Geld hat, stirbt“, sagt der griechische Arzt Georgios Vichas.
Erleben wir einen Krieg um „politische Werte“ (Demokratie vs. Autokratie, wie die Regierung behauptet) oder den Beginn eines langen Krieges um eine „neue Weltordnung“ (wie immer die auch aussehen mag)?
Bis vor einigen Jahren war globaler „Freihandel“ das Mantra westlicher neoliberaler Politik. In diesen letzten Jahrzehnten fand er unter der unumstrittenen Vorherrschaft der USA statt (= unipolare Welt; ein Pol, an dem sich das Weltgeschehen ausrichtete). Der ökonomische Aufstieg Chinas führte ab einem gewissen Punkt zur Abschottung und einem Wirtschaftskrieg des Westens gegen China, wie sich z.B. an den Strafzöllen gegen chinesische Unternehmen und dem Verbot der Beteiligung „gegnerischer Unternehmen an der „Kritischen Infrastruktur“ zeigte. Der in der Ukraine eskalierte Konflikt zwischen dem „Westen“ und Russland sowie die Auseinandersetzungen mit China um Taiwan haben das Ende der letzten Phase des globalisierten Kapitalismus deutlich gemacht.
Hat die Unerbittlichkeit des Krieges um die Ukraine etwas mit dieser historischen Etappe zu tun?
Eine oft geäußerte Sichtweise ist, dass die beherrschende Macht USA im Niedergang begriffen ist und der Ukrainekrieg seitens des Westens im Kern den Auftakt des eskalierenden Machtkampfes mit China darstellt. Es werden unterschiedliche Einschätzungen vertreten, ob der Abstieg des Westens in den nächsten Jahrzehnten noch aufgehalten werden kann oder bereits irreversibel ist.
Das Schlagwort von einer „multipolaren Welt“ wird als Gegenentwurf zum US- dominierten Weltsystem gebraucht. Die kommende Weltordnung solle eher auf Kooperation souveräner Nationalstaaten statt auf Unterordnung unter eine Supermacht basieren. Dieses Bild geht davon aus, dass eine kapitalistische Weltwirtschaft erhalten bleibt, jedoch ohne die politische Dominanz einer Supermacht.
Eine Variante der „multipolaren Welt“ ist das Szenario einer bipolaren Welt durch erneute Blockbildung („Westen“ vs. Russland & China). Der Ökonom Michael Hudson sieht in diesen Blöcken allerdings nicht nur zwei konkurrierende Machtsphären, sondern zwei Systeme, die sich gegenüberstehen.
Eine vierte Diagnose des Zustandes der Welt ist schließlich die, dass der Kapitalismus weltweit, d.h., auch in China, in eine letzte Phase des Zusammenbruches der Finanzialisierung eingetreten ist. Der Philosoph Fabio Vighi bspw. sieht keinen Unterschied zwischen den Finanzeliten Chinas und der USA. Er ordnet den Krieg (wie auch die Pandemie) in den Prozess des Zusammenbruchs der Finanzmärkte ein. Darin manifestiert sich das Scheitern das kapitalistischen Systems in seiner aktuellen Form (s. z.B. Guillaume Paoli und seine Bezeichnung des Kapitalismus als eines „Untoten“). Analog zu N. Kleins Analyse und der Betitelung des aktuellen Kapitalismus als „Katastrophenkapitalismus“ sprechen Fabio Vighi, Ernst Wolff oder auch Kees van der Pijl davon, dass die uns in der Vergangenheit präsentierten wie auch zukünftige Krisen davon abhalten sollen, diese Realität zu erkennen. Eine Realität, die überdeutlich belegt, dass das kapitalistische System schon über seine Grenzen hinaus ist und es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis es dann auch unübersehbar und unaufhaltbar zusammenbricht.
Wir wollen verschiedene Analysen der aktuellen Situation (Fabio Vighi / Ernst Wolff, Gegenstandpunkt und Michael Hudson) vergleichen und schauen, worauf diese Analysen eine Antwort geben und worauf nicht.
Den Vergleich der Analysen wollen wir anhand folgender Fragen vornehmen:
Welche Kriegsgründe werden in den Texten benannt?
(Womit) Erklärt die Analyse die Vehemenz, mit der der Ukraine-Krieg zur Sache der westlichen Regierungen wird?
Geht die Analyse auf die Hintergründe des Krieges ein?
Kann die Analyse – explizit oder implizit – erklären, warum die kleinen und mit-telständischen Unternehmen nun zur Gegenwehr bereit scheinen und warum die Großunternehmen eine andere Position einnehmen?
Bringt gerne weitere Fragen mit!
Diskutieren wollen wir anhand der so gewonnenen Erkenntnisse, wie wir die zukünftige Entwicklung einschätzen und über die Chancen, welche die aktuelle Situation, so düster sie auch sein mag, bietet.
Wer Lust hat, kann schonmal in folgende Texte reinlesen:
a) Fabio Vighi: Ein System auf der Intensivstation
deutsch-russische Pipeline Druschba: Freundschaft war einmal…
Frieren für den „Sieg gegen Russland“, Waschlappen statt Dusche, Fahrrad statt Auto…
Was erleben wir gerade? Eine Kriegswirtschaft mit „geistig- moralischer Wende“? Internationale Machtpolitik? Eine gezielte Verarmungspolitik? Die grüne Energiewende?
Die Tage werden kürzer, der Sommer neigt sich dem Ende entgegen, die Energiepreise explodieren und wir werden auf den ersten „Kriegswinter“ seit 1945 eingeschworen… Proteste werden von der rot-grün-gelben Regierung erwartet und vorsorglich schonmal gewarnt, dass sie sicherlich von „rechts“ dominiert sein werden. Akzeptabel sei die Angst vor sozialen Härten, aber ein Infragestellen des Handelns der Regierung verfolge eine unzulässige „Delegitimierung des Staates“. Um in den kommenden Auseinandersetzungen Positionen vertreten zu können und nicht in die aufgestellten Fallen zu tappen, haben wir uns verschiedene Aspekte der sog. „Gaskrise“ angeschaut und wollen mit euch darüber diskutieren:
1. Was ist eigentlich der Kern des Konfliktes um Gaslieferung zwischen Russland und der EU?
2. Wozu dienen die Sanktionen gegen Russland?
3. Sind die hohen Energiepreise die Grundvoraussetzung für eine „Grüne Energiewende“?
4. Welche politischen Positionen zur ganzen Energieproblematik gibt es bislang? Können wir uns da wiederfinden? Welche eigenen Positionen haben wir?
Das neue Jahr ist noch jung und wir wünschen allen ein gutes, großartiges, trotziges und tapferes Jahr!
Detail aus dem großartigen Bauernkriegspanoramabild in Thüringen: Inmitten der Schrecken der Zeit öffnet sich langsam die neue Welt
In den letzten zwei Jahren haben wir uns mit vielen Aspekten der jetzigen gesellschaftlichen Krise beschäftigt. Im Herbst haben wir unserer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die öffentlichen politischen Debatten ihren Fokus von medizinischen Fragestellungen hin zu gesellschaftlichen verlegen könnten. Zum Jahresende haben sich die Demonstrationen und Proteste gegen die staatlichen „Anti- Covid“ – Maßnahmen enorm verbreitert. Um diese Proteste herum hat sich eine aufgeregte Debatte entwickelt, inwieweit überhaupt Protest gegen die Maßnahmen legitim sei und speziell, ob diese Proteste legitim seien.
Die entscheidende Frage, die wir uns stellen müssen, ist nicht die nach der medizinischen Einschätzung eines Virus. Zu dieser Frage gibt es unterschiedlichste Einschätzungen und sie ist für das alltägliche Handeln wichtig. Im Betrieb, in der Öffentlichkeit, im Privaten muss ausgehandelt und vielleicht auch gestritten werden. Jetzt geht es um die Frage, wie wir die staatlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit einer schon vor Corona immer manifester werdenden gesellschaftlichen, d.h., auch wirtschaftlichen und staatlichen Krise, einordnen. Welche Positionen vertreten wir? Wofür und mit wem würden wir gerne auf die Straße gehen?
Vor kurzem sind wir auf dem Blog Frankfurter Autonomer auf die Übersetzung eines Artikels gestoßen. Ein marxistischer Professor von der Uni Cardiff hat unter dem Titel „Die Hintergründe der Pandemie“ den Versuch gemacht, das Pferd von der anderen Seite als gewöhnlich aufzuzäumen:
Die meisten Linken nehmen das Abwürgen der „Realwirtschaft“ durch Lockdowns, Grenzschließungen und Zugangsbeschränkungen als Beweis dafür wahr, dass die Staaten gezwungen waren, gegen die wirtschaftlichen Interessen der Großunternehmen zu handeln – entweder, um das bloße Überleben der Menschen als Arbeitskräfte zu sichern oder allein auf Druck der Arbeiter und Arbeiterinnen. In einer solchen Sichtweise erscheint der Lockdown als erzwungener Generalstreik von oben…
Vighi dreht die Argumentation um: Er stellt die staatliche Pandemiebekämpfung inklusive des Abwürgens der Realwirtschaft als gewollte Strategie zur Überwindung der strukturellen wirtschaftlichen Krise dar. Die Basis dieser Argumentation ist die Feststellung, dass sich das globale kapitalistische Wirtschaftssystem seit Jahrzehnten in einer sich immer weiter zuspitzenden Krise befindet: Die Profite für produktiv eingesetztes Kapital sinken kontinuierlich, da die Unternehmer ihrer eigenen Konkurrenz, aber auch den steigenden Löhnen und erkämpften sozialen Standards der Arbeitenden ausweichen müssen. Das tun sie tw. durch die von ihm angesprochene Automatisierung. Ein weiterer Punkt ist das enorme Anwachsen eines eigentlich völlig unproduktiven Verwaltungsapparates, der „Bullshit Jobs“, wie sie der amerikanische Ethnologe David Graeber nannte. Investitionen in Produktionskapazitäten verspricht nur geringe Profite. Um das aufzufangen, sucht das Kapital sein Heil im Finanzmarkt, in Aktienmärkten, deren Aktienkurse schwindelerregend steigen. Sie können aber nur steigen, weil immer mehr virtuelles Geld von den Zentralbanken geschaffen und den Großbanken zinslos zur Verfügung gestellt wird. Eine Blase, die immer weiter aufgepumpt wird, bis sie platzt. Die letzte große „Kernschmelze“ des Finanzsystems war vor etwas mehr als zehn Jahren, 2007 / 08. Unmittelbar vor der Corona- Epidemie war es wieder soweit. Das von Vighi skizzierte Dilemma der Finanzjongleure besteht darin, dass die virtuelle Geldflut und die „Nullzinsen“ der Zentralbanken gar nicht mehr die Realwirtschaft erreichen dürfen, weil dann eine Hyperinflation droht. Verständlich wird das allerdings nur, wenn man einen Aspekt bedenkt, den Vighi nicht weiter ausführt: Der „Lohndruck“ von unten (wenn man nicht von „Klassenkampf“ reden will). Die „Überhitzung“ der Wirtschaft, von der er spricht, wäre eine Situation, in der Unternehmen aufgrund billiger bis kostenloser Kredite unkontrolliert investieren, dafür Arbeitskräfte benötigen, der Arbeitsmarkt leergefegt wird, die Arbeiter höhere Löhne erkämpfen können und darüber eine sich beschleunigende Lohn- / Preisspirale in Gang gesetzt würde.
Durch das Corona- Notstandsmanagement versuchen die globalen Finanzeliten, diesem Dilemma zu entkommen; es ermöglicht bislang ein weiteres Aufblähen der Finanzblase bei gleichzeitiger Entwertung von Einkommen und privaten Rücklagen, d.h., eine Verarmung der arbeitenden Massen. Die Angst vor der Krankheit hält die Massen in Schach und erhöht die Akzeptanz für eine digitale Massenüberwachung und digitale Zugangskontrolle zu Möglichkeiten des materiellen Überlebens.
Dass er die steigende Reichtumskonzentration und zunehmende Verarmung durch Arbeitslosigkeit und „kontrolliert“ steigende Inflation nicht als „Kollateralschäden der Menschheitsrettung“, sondern als gewollte Strategie betrachtet, öffnet vielleicht Möglichkeiten für linke Perspektiven gegen die staatliche Krisenverwaltung.
Dass er hinter den sog. „Rettungsschirmen“ vor allem ein Instrument des Strukturwandels sieht, ermöglicht, zu begreifen, warum es hierzulande bislang vor allem (aber bei weitem nicht nur!) eine Mittelschicht ist, die auf die Straße geht: Die Abermilliarden, die der seinerzeitige Finanzminister und jetzige Kanzler „Cum-Ex“- Scholz ausgeschüttet hat, kamen vor allem den Großunternehmen (bzw. deren Aktionäre) aus bestimmten Branchen zugute, während mittelständische und kleinere Unternehmen langsam in die Pleite gehen.
Das von Vighi entworfene dunkle Zukunftsbild kann man natürlich als übertrieben abtun. Es ist ein Szenario, das drohen kann, wenn wir uns nicht wehren.
Die Frage, wie wir uns im Alltag bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen erstreiten und wie wir uns dort auch um Infektionsrisiken schützen, beantwortet er nicht – das müssen wir selber tun!
Man muss nicht alle Gedanken teilen, aber eine wertvolle Anregung!
Der ursprüngliche Link funktioniert nicht mehr, deshalb der Text von einer anderen Webseite:
Schließlich als Ergänzung von einen frischen Text von Werner Rügemer über die Geschichte der Massenimpfungen in den USA.
Werner Rügemer ist promovierter Philosoph, u.a. bei im wissenschaftlichen Beirat von ATTAC aktiv und seinerzeit Mitbegründer der „Aktion Arbeitsunrecht“ in Köln.