Häuptling Abendwind, oder: Das gräuliche Festmahl

Eine Szenische Lesung
Freitag, 24.Februar 2023, 19.30 Uhr
Kulturverein „Alles Wird Schön“, Friedrich-Naumann-Str.27

Auf einer der fernsten Inseln in Australien residiert Häuptling Abendwind und erwartet den Besuch seines Gegenübers Biberhahn. Dafür soll ein Festmahl angerichtet werden. Allerdings hat den Stamm der Groß-Luluerer in der letzten Zeit das Jagdglück verlassen: Es gibt just keine Gefangenen, die man anbieten könnte. Da trifft es sich gut, dass der Schiffbrüchige Friseur Arthur an das Ufer gespült wird. Er trifft auf die Häuptlingstochter Atala, die beiden verlieben sich ineinander. Sie warnt ihn eindringlich, er möge sich verstecken – allerdings ohne die Ernährungssitten ihres Stammes explizit zu nennen. Doch Arthur vertraut dem freundlich auftretenden Abendwind und verschwindet mit dem Koch Ho-Gu zur Zubereitung eines leckeren Mahles.
Als Biberhahn ankommt, begegnen er und Abendwind sich mit freundlichen Worten. Erst im Laufe des Gespräches wird das Misstrauen der beiden deutlich: Es stellt sich raus, dass die beiden sich gegenseitig die Frauen geraubt und verspeist haben. Ihr gemeinsamer Feind ist jedoch die näherrückende westliche Zivilisation. Gegen die wollen sie ihr zukünftiges Bündnis durch die Heirat ihrer beiden Kinder besiegeln – Biberhahn wartet dringend auf die Ankunft seines Sohnes.
Das Mahl wird gereicht. Auf einmal erklingt aus dem Inneren des Bratens eine Spieluhr…

Die Werke des Johann Nestroy (1801 – 1862) gelten als Höhepunkt des Alt-Wiener Volkstheaters. Dieses wurde seit Beginn des 18.Jahrhunderts auf primitiven Bühnen, den sogenannten „Pawlatschen“ gespielt. Zunächst lebte es von englischen Komödianten, die Stücke Shakespeares und anderer englischer Dramatiker spielten. Neben den englischen zogen auch italienische Wandertheater durch‘s Land und spielten die Stücke der Commedia dell’arte, in denen der Dialog innerhalb einer feststehenden Szenenfolge als Stegreiftheater improvisiert wurde. Die Aufführungen waren oft mit einer „komischen Figur“ verbunden, die als Dreh- und Identifikationsfigur das Einverständnis zwischen Bühne und Publikum herstellte – der Hanswurst und der Kasperle hatten hier ihre Wurzeln. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden Hanswurst und Kasper gemäßigter und sie hörten auf, Zoten und fäkalische Witze von sich zu geben.
Die aufklärerische Politik erlegte ihm Mäßigung auf. Im norddeutsch-protestantischen Raum hatte man zu jener Zeit den Hanswurst schon längst als widernatürliche und unappetitliche Unterhaltungsform abgelegt. Das Beharrungsvermögen des Alt-Wiener Spaßmachers hat mit seinen multikulturellen Bindungen, der Spezifik des Publikums sowie seiner Beliebtheit selbst in den politischen Eliten zu tun. So tölpelhaft der Hanswurst auch war, das Publikum identifizierte sich mit ihm und grölte vor Vergnügen, wenn er auf der Bühne sogar die Polizei verhöhnte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alt-Wiener_Volkstheater

Das „Gräuliche Festmahl“ war Nestroys letztes Werk. Dass sein Stück eine Satire auf die Diplomatenwelt und die Machtpolitik der europäischen Mächte darstellte, wurde oft nicht verstanden und das Stück versank in der Vergessenheit.
Wer mag, kann sich das Stück schonmal anschauen:
https://www.nestroy.at/neu/wp-content/uploads/2019/06/abendwind-sw.pdf

2 Gedanken zu „Häuptling Abendwind, oder: Das gräuliche Festmahl

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