Dienstag, 27. März 2018 – 19:30 Uhr
Mieter-Pavillon
Friedrich-Naumann-Str.7
Wie wird heute von den Unternehmern versucht, „Mehrwert“ zu erzeugen? Unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ (oder „internet of things“ etc.) wird eine neue industrielle Revolution verkündet, mit einer neuen Welle der Rationalisierung, Automatisierung, dem Wegfall von Millionen von Jobs und der endgültigen „Herrschaft der Maschine“. Letzten Endes geht es um die Vorstellung von „intelligenten“, lernenden und miteinander vernetzten Robotern.
Parallel ist der Begriff der „Sharing Economy“ (oder auch „Gig Economy“ oder „crowd work“ oder…) in aller Munde; gemeint sind Unternehmensformen, bei der viele selbstständig Arbeitende von „Plattformfirmen“ gelenkt werden.
Wir laden Menschen aus verschiedenen Betrieben ein, etwa aus Industrie-, Umschlag- und Lagerbetrieben (auch Hafen) und von Lieferdiensten / Kuriere. Das Ziel der Veranstaltung ist es, konkrete Erfahrungen und Beobachtungen in einzelnen Betrieben in einem Zusammenhang zu diskutieren; d.h. es soll nicht so sehr um Details gehen, sondern darum, zu versuchen, die beobachteten Veränderungen auf einer etwas abstrakteren Ebene zu sehen: Wie verändern sich Arbeitsstrukturen insgesamt, über die einzelnen Betriebe hinaus? Wo werden tatsächlich Arbeitsstellen wegrationalisiert? Welche Arbeiten werden möglicherweise automatisiert? Welche Folgen hätte eine Automatisierung für die verbleibenden (oder möglicherweise neuen) Arbeiten?

aus dem Puppenfilm „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“
Als Beispiel: Die Automatisierung der Arbeitsplanung durch sich „selbst steuernde“ Systeme in der Fertigungs- und logistischen Planung rationalisiert entsprechende Arbeiten in der Verwaltung weg und bedeutet für die ausführenden Arbeiten eine Verdichtung der Arbeit, eine Flexibilisierung und nimmt ihnen Autonomie über die Ausführung der Arbeit. Die Menschen sind nicht mehr mit einem Vorarbeiter / Arbeitsplaner konfrontiert, sondern mit den Anweisungen einer Maschine. Die Überwachungsmöglichkeiten durch den Betrieb erweitern sich. Was bedeuten diese Veränderungen für die Anforderungen und Qualifikationen?
Dazu kommt ein Hintergrund sich verändernder gesellschaftlicher Einstellungen.
Was verbirgt sich tatsächlich hinter den Schlagworten “Industrie 4.0” und “Sharing Economy”? Was sind kapitalistische Visionen, was realistische Zielsetzung, was festzustellende Trends?
1) Steht uns tatsächlich eine neue „menschenleere Fabrik“, ja „-Welt“ ins Haus? Eine Welt, bevölkert von miteinander sprechenden Maschinen, Robotern, selbstfahrenden Autos, Drohnen, Schiffen usw., denen wir uns unterzuordnen haben? Was sind unsere eigenen Erfahrungen?
2) Die Firma Uber professionalisiert Mitfahrzentralen; AirBnB professionalisiert Mitwohnzentralen und „Couchsurfing“, Amazons „Mechanical Turk“ kopiert und professionalisiert die je nach Sichtweise chaotische oder selbstorganisierte Organisation von Plattformen wie etwa Wikipedia. Sind Uber und Co. einfach Weiterentwicklungen des Grundgedankens des „Teilens“ von „Ressourcen“ oder gab es einen Bruch und die Plattformwirtschaft stellt etwas Neues dar?
3) Gibt es zwischen dem „Internet der Dinge“ und der Plattformwirtschaft einen Zusammenhang und wie sieht der aus?
Wir wollen uns diesen Fragen u.a. anhand des im letzten Jahr vom Journalisten Matthias Martin Becker herausgegebenen Buch „Automatisierung und Ausbeutung. Was wird aus der Arbeit im digitalen Kapitalismus?“ nähern.
Informative Texte:
Industrie 4.0: Die Automatisierung der Ausbeutung
aus „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Oktober 2017
Matthias Becker spitzt hier die Thesen seines Buches auf gut lesbare Art zusammen: Nicht Automatisierung und Ausbeutung, sondern Automatisierung der Ausbeutung ist die Zielrichtung der gegenwärtigen Rationalisierungswelle. Sie trifft personell vor allem die mittlere Führungsebene in der betrieblichen Verwaltung, die sie z.T. überflüssig macht. Unter Druck gesetzt werden allerdings die Handarbeiter in der Industrie und der Dienstleistungsarbeit, die sich nicht mehr mit einem Vorarbeiter rumquälen müssen, sondern mit den Anweisungen einer Maschine.
Mensch vs. Maschine, Sharing Economy vs. Industrie 4.0
aus der Huffington Post, 30.05.2015
„Die großen Vordenker wie Musk oder Hawking befürchten Schlimmstes, auch auf der Huffington Post! Wenn sie Recht haben, droht uns die Dominanz der künstlichen Intelligenzen. Der nachfolgende Beitrag ist ein Zwischenruf zum Spannungsfeld von Mensch und Maschine und betrachtet insbesondere die Konsequenzen von Sharing Economy und Industrie 4.0 für die Logistik (und andere Bereiche). Beide Themen sind enger verwandt als es auf den ersten Blick scheint und ihre Auswirkungen groß. (…)“
„Ein Hoffnungsträger, der nur enttäuschen kann“ . Matthias Becker über Digitalisierung, Automatisierung und Ausbeutung
Telepolis, 14. Juni 2017
AirBnB, Uber und Postmates: Risiken der Sharing Economy
Deutschlandfunk, 04.Juni 2016
Die Sharing Economy, die Ökonomie des Teilens, hat in den letzten Jahren viele Anbieter von Sharing-Diensten wie AirBnB, Uber oder Postmates reich gemacht. Verlierer sind dagegen oft diejenigen, die ihr Haus oder ihr Auto über die Sharing-Plattformen mit anderen Menschen teilen und dabei ein großes Risiko tragen. (…)