Chicken run! Es ist Sommer im Hühnerstall

Wir versuchen seit über einem Jahr, einen eigenen Weg zwischen den Fallstricken der Corona-Politik zu finden. Die geht erkennbar in die nächste Runde, wenn im Herbst die Erkältungskrankheiten wieder zunehmen und Unsicherheit um sich greifen wird. Die Diskussion um eine allgemeine Verpflichtung zur Impfung nimmt Fahrt auf, in Frankreich und einigen anderen Ländern ist sie Realität geworden, auch wenn sie nicht „Pflicht“ genannt wird. Wenig diskutiert wird die staatliche Impfstrategie der sog. „Herdenimmunität“. Dieses Konzept stammt aus der Massentierhaltung. Die Verbindung von medizinischen und politischen Kontrollmaßnahmen gehört zusammen. Die Welt wird zum Hühnerstall!
Wie wenig es dabei tatsächlich um Gesundheitsschutz oder Vorsorge geht, zeigt beispielhaft ein Beitrag auf gmx.de vom 16.Juli:

Hohe Zahl von Corona-Selbstisolationen trifft britische Wirtschaft hart

Die neue Corona-Welle in Großbritannien trifft zunehmend die Wirtschaft. Vor allem die hohe Zahl der Arbeiter, die sich wegen eines möglichen Kontakts mit einer infizierten Person selbst isolieren müssen, bereitet Sorgen. Nach Angaben des Verbands der Fleischproduzenten wurde fast jeder zehnte der 97.000 Beschäftigten von der Corona-Warn-App zur Selbstisolation aufgefordert. Einige Unternehmen könnten gezwungen sein, ihre Produktion stillzulegen, was zu Engpässen führen könne, sagte Verbandschef Nick Allen am Freitag der BBC. Betroffen seien vor allem die lukrativsten Bereiche, etwa die Herstellung von Lammkoteletts.

Auch die Autobauer Nissan und Rolls-Royce warnten vor Folgen für ihre Produktion. Medienberichten zufolge sind Hunderte Nissan-Arbeiter betroffen. „Die Fälle gehen durch die Decke und verursachen Chaos“, sagte Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös dem „Daily Telegraph“.

Der Präsident des Industrieverbands CBI, Karan Bilimoria, nannte die Zahlen einen echten Schock für die Wirtschaft. „Der Personalmangel ist in allen Branchen und in allen Unternehmensbereichen akut zu spüren, insbesondere im Gastgewerbe und in der Freizeitindustrie.“ Er forderte eine Überarbeitung der Vorschriften zur Selbstisolation, etwa für vollständig Geimpfte. Die Pflicht zur häuslichen Quarantäne, wenn die App einen Kontakt meldet, „ruiniert die Wirtschaft“, sagte Bilimoria dem Radiosender LBC.

In der vergangenen Woche hatte die Warn-App mehr als 520 000 Menschen landesweit zur Selbstisolation aufgefordert. Wie der „Telegraph“ berichtete, reagiert die App jedoch übersensibel. Demnach wurden Menschen benachrichtigt, weil Nachbarn positiv getestet wurden, von denen sie durch eine Mauer getrennt sind.

Wir haben einige Gedanken zum Thema gesammelt und wollen Thesen zur Diskussion stellen. Den Text findet ihr hier:

Medizinmänner und Schamanen. Gedanken zum Notstand

Im Jahre 2001 sprach der damalige US- Verteidigungsminister Dick Cheney von der „Neuen Normalität“, an die man sich durch den „Krieg gegen den Terror“ gewöhnen müsse – Suspendierung von grundlegenden Menschenrechten und einem Leben in permanenter Unsicherheit. Der „Krieg gegen den Terror“ hat nach 20 Jahren seine Legitimation für den Ausnahmezustand verloren; zu deutlich sind die Verstrickungen staatlicher Stellen in Terrorakte, wie dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin geworden. Zu monströs sind die Verbrechen geworden, die ungezählten Opfer willkürlicher Bombardierungen in Afghanistan, Syrien, dem Jemen und vielen anderen Ländern. Teilweise ersetzt wird die Angst vor dem Terror durch Angst vor Krankheit. Das eine wie das andere gibt es sicherlich – jede Gesellschaft gebiert die Ungeheuer, die zu ihr passen.

Zufällig sind wir in den letzten Tagen auf einen Blog gestoßen, auf dem u.a. ein Autor unter dem Pseudonym „Sebastian Lotzer“ (1) seit dem Frühjahr letztes Jahr ein „Pandemie-Kriegstagebuch“ geführt hat. Sein jüngster Beitrag – mit dem Titel „Endgames“ – trifft an seinem Ausgangspunkt ganz gut den Nerv: Langsam sei der Zeitpunkt gekommen, die Diskussion um die staatliche Notstandspolitik im Namen der Gesundheitsfürsorge abzuschließen. Das Handeln des Staates, sein Agieren im Notstand ist aber nicht vom Gedanken der Fürsorge für alle Einwohner und des Erhaltes ihrer Gesundheit (höchstens ihrer Arbeitskraft) getrieben, sondern davon, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Es werden keine Leben gerettet, sondern Armut verschärft, soziale Infrastruktur weiter abgebaut, Grenzen neu gezogen usw.

Im Blog des „Wu Ming“ – (Schriftsteller-) Kollektivs (2) aus Italien wurde das Problem folgendermaßen formuliert:

„Es ist eine Art Unbestimmtheitsprinzip im Heisenberg‘schen Sinne, zwischen Virus und Notstand. Man kann nicht auf beides schauen und die Augen offen halten, man unterschätzt entweder das eine oder das andere. Sie unterschätzen in den Augen des anderen. Das heißt: für denjenigen, der das Virus gut sieht (oder glaubt, es gut zu sehen), ist der Notfall nur eine Eventualität, die vorübergeht, wenn das Virus vorübergeht; für denjenigen, der den Notstand gut sieht (oder glaubt, es gut zu sehen), wird das Virus, wie ernst und gefährlich es auch sein mag, immer weniger tödlich sein als die Folgen, die die Notstandspolitik verursacht. Jede Diskussion hat diese Instabilität in sich, und sie an die Oberfläche zu bringen, kann nur gut sein

Lotzer formuliert etwas pathetisch, und ist sehr von einer Stimmung der Endzeit, des Untergangs der kapitalistischen Welt in einem globalen Aufstand, geprägt. Das erste Jahr im Corona- Ausnahmezustand sei eine Ouvertüre für das, was uns in den nächsten Jahren bevorstehe.

Was ist der gesellschaftliche Rahmen? Eine historische Krise der kapitalistisch organisierten Gesellschaft – und ihr Zerfall und Bürgerkrieg:

Im Endgame des Empire werden wir den Zustand des Bürgerkriegs als die gegenwärtigste der Möglichkeiten erleben. In einer Welt der weltweiten Vernetzung und Lieferketten muss die Verwertung dann unter den Bedingungen des Bürgerkrieges gesichert werden.“

Was verändert sich durch den Ausnahmezustand?

Die Erfahrungen der Kontrolle und Segregation, die das Empire im derzeitigen Pandemie Ausnahmezustandes gesammelt hat, wird als Blaupause für die Kontrolle über die zukünftigen Konfliktualitäten dienen. Dies trifft auch auf das Terrain der massiven gesellschaftlichen Desinformationen und Manipulationen zu, die derzeit in einer atemberaubenden Art und Weise zu beobachten sind. Darüber hinaus erleben wir im “Krieg gegen das Virus” die Militarisierung der sozialen Beziehungen, des Sozialen selbst. Kranke werden “Gefährder”, Nachbargemeinden zu feindlichen Gebieten, zu denen man sich aufgrund “hoher Infektionsraten” abgrenzen muß, Grenzübertritte sind mit allen Mitteln zu verhindern. Der Pandemie Ausnahmezustand nimmt den zukünftigen Bürgerkrieg vorweg, zielt aber zugleich auf die Auslöschung jeglicher Möglichkeit des Antagonismus, weil er die totale Individualisierung (die höchstens noch die Kernfamilie als Bezugsrahmen kennt) als Überlebensbedingung propagiert.“ (Endgames)

Worauf steuern wir zu?

Zum einen werden staatliche Institutionen und demokratische Prozedere umgebaut. Die Verwaltung im Krisenfall obliegt Krisenstäben, in denen Verwaltungsleute, Unternehmen und Bundeswehr sitzen. Beschlüsse werden gefasst, ohne dass sie in irgendeiner Form zur Diskussion gestellt werden müssten.

Statt staatliche Institutionen angesichts einer Krisensituation zu stärken, verstärkt sich der Trend zur Privatisierung oder Delegation an die Armee. (3)

Es werden Infrastrukturen für die Zukunft aufgebaut: Gesundheitsminister Spahn treibt seit Jahren die grundsätzliche Freigabe aller medizinischer Daten für Privatfirmen und Behörden an. Die Kontrolle des Impfstatus‘ der Bürger ist ein Baustein, dem weitere folgen können. Das Ziel mag in dem einen Fall die direkte Kontrolle sein, wer eben z.B. gegen eine bestimmte Krankheit geimpft ist. In dem anderen Fall mag es um den Ausschluss von Versicherungsleistungen bei „selbstverschuldeten“ Krankheiten etwa durch’s Rauchen gehen. Oder um die automatisierte Festlegung von Behandlungswegen durch die „Künstliche Intelligenz“.

Gefährlich ist aber auch die psychologische Durchsetzung von Mechanismen der Ab- und Ausgrenzung, der Akzeptanz autoritärer Strukturen und nicht zu hinterfragender Sachzwänge.

Diese Verhältnisse sind nicht äußerlich, allein von oben angeordnetes und durch Zwang durchgesetzt. Sie sind im Inneren unseres sozialen Lebens und bestimmen auch unsere Möglichkeiten, Kollegialität auf der Arbeit zu entwickeln, sich zu organisieren und gemeinsam für ein besseres Leben einzutreten.

Folgende drei Texte fanden wir hilfreich::

Sebastian Lotzer: Endgames ( https://non.copyriot.com/endgames-part-l/ ) oder hier als PDF-Datei:

Wu Ming: Mao Dun: In welche Fallen wir bei der Diskussion über den
“Coronaviren-Notstand ” tappen
(Übersetzung von Sebastian Lotzer https://non.copyriot.com/pandemie-kriegstagebuecher-von-maeusen-und-menschen/ ) oder hier als PDF-Datei

Dunja Larise: Macht, Autorität und Legitimität in Zeiten des Lockdown (deutsche Übersetzung hier als PDF)

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1 Dieses Pseudonym ist offensichtlich nicht zufällig gewählt: Lotzer war einer der Sprecher der Memminger Bauern im Bauernkrieg 1525 und hat die sog. Zwölf Artikel mit formuliert. Diese gelten als eine der ersten schriftlichen Fassungen von Menschen- und Freiheitsrechten in Europa, und wurden in offenen Versammlungen der Bauern beschlossen.

 Wu Ming
Logo von Wu Ming

2 Wu Ming nennt sich ein Autorenkollektiv aus Norditalien. Wu Ming sei Chinesisch und bedeute „Ohne Namen“.
Einige deutsche Übersetzungen sind im Hamburger Verlag Assoziation A erschienen:
https://www.assoziation-a.de/autoren/Wu_Ming

3 siehe z.B.:Informationsstelle Militarisierung: Die Bundeswehr im Corona-Einsatz. Inlandseinsatz historischer Dimension zum 65. Geburtstag
http://www.imi-online.de/2020/12/15/die-bundeswehr-im-corona-einsatz/
oder Thomas Wiegold auf seinem Blog zur Militarisierung des Innern, »Augen geradeaus«: https://augengeradeaus.net/?s=Corona