Postdemokratie – Zustandsbeschreibung oder Demokratie in neuem Gewand?

Diskussionsveranstaltung
Dienstag, 27.Februar 2024 um 19.30 Uhr
Mieterpavillon, Friedrich-Naumann-Str.7

Wir merken alle, dass „etwas nicht stimmt“ mit unserer „Demokratie“. Vom Mainstream abweichende Meinungen werden diffamiert, ihre Vertreter schikaniert und / oder lächerlich gemacht, der Ton in Zeitungen und Talk-Shows wird rauer und den „Abweichlern“ gegenüber verächtlich, Begriffe aus der Nazi-Zeit werden salonfähig, denn es scheint nichts groß dabei zu sein, Kritiker der Corona-Maßnahmen als „Blinddarm der Gesellschaft“ zu bezeichnen (S.Bosetti), oder Kriegsgegner als „Lumpenpazifisten“ (S.Lobo).
Dass sich etwas unwiderrruflich verändert hat, wird auch von Seiten der Regierenden nicht bestritten: Mit Corona wurden wir auf ein „neues Normal“ eingestimmt, mit dem Krieg in der Ukraine auf eine „Zeitenwende“. Und immer deutlicher wird: Im Zuge dieser Entwicklungen geht (neben vielem anderen) der öffentliche Debattenraum verloren, wie an den eingangs angerissenen Beispielen zu sehen ist.
Dieses Phänomen hat sich aber nicht so überraschend entwickelt, wie es scheint. Dass die Demokratie möglicherweise ausgedient, bzw. eine neue Form angenommen hat, wird bereits seit längerem unter dem Begriff „Postdemokratie“ diskutiert (s. z.B. das Heft Nr. 4 des Forschungsjournals Neue Soziale Bewegung (FNSB) aus dem Jahr 2006 – hier , Titel: „Postdemokratie – ein neuer Diskurs?“ oder Heft 1-2 „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (ApuZ) aus dem Jahr 2011 mit dem Titel: „Postdemokratie?“ – hier)

Die Bezeichnung „Postdemokratie“ wurde von Jaques Rancière (französischer Philosoph) Mitte der 90er Jahre erstmalig in eine breitere Debatte eingebracht, wobei die so bezeichnete Entwicklung auch schon früher thematisiert wurde, allerdings nicht unter der dem Namen „Postdemokratie“.
Wir wollen uns mit dem Zustand unserer Gesellschaft beschäftigen, der durch diesen Begriff charakterisiert wird und diskutieren, inwiefern dies uns dabei helfen kann, die momentan sich immer weiter verhärtenden gesellschaftlichen Fronten aufzuweichen. Vor allem: dem Teil der Gesellschaft, der immer weniger gehört und vor allem akzeptiert wird, wieder zu einer legitimierten Position und Stimme zu verhelfen. Ob dazu eine Re-Demokratisierung das geeignete Mittel ist (wie die Diskussion um „Post“-Demokratie nahelegt)? Auch das wird zu besprechen sein.
Wir freuen uns auf eine angeregte Diskussion mit Euch!

Was ist Demokratie?

Diskussionsveranstaltung
Dienstag, 28.November 2023 um 19.30 Uhr
Mieterpavillon, Friedrich-Naumann-Str.7

Demokratie ist ein Begriff, der für viele gleichgesetzt wird mit den „guten“ westlichen Werten. Freiheit und Demokratie erscheinen uns oft wie die besten Errungenschaften des vorletzten Jahrhunderts und aktuell ziehen „wir“ sogar mit in den Krieg, um dieses Wunderwesen Demokratie zu verteidigen. Aber: Was ist es denn das, was wir da meinen, verteidigen zu müssen? Hält die Demokratie, so wie wir sie kennen, einer kritischen Prüfung stand? Laut Wikipedia bezeichnet der Begriff Demokratie „Formen der Herrschaftsorganisation auf der Grundlage der Partizipation bzw. Teilhabe aller an der politischen Willensbildung“, also eine Herrschaft des Volkes. Ausgeklammert bleibt allerdings die Verfügung über die Produktionsmittel und das Privateigentum generell.
Die Gruppe „Gegenstandpunkt“ behauptet jedoch, die Demokratie sei die „perfekte Form der kapitalistischen Herrschaft“. Wir wollen diese beiden Auffassungen von Demokratie einander gegenüberstellen, um im Gegenlicht der einen Auffassung die jeweils andere deutlicher zu erkennen – und ggf. kritisieren zu können. Dazu wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, was denn genau eine Demokratie ausmacht. Sind es tatsächlich die in der Definition bei Wikipedia zu findenden: „… allgemeinen, freien und geheimen Wahlen, die Aufteilung der Staatsgewalt bei Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung auf voneinander unabhängige Organe (Gewaltenteilung) sowie die Garantie der Grundrechte“? Und wie sieht es dann aus mit der Demokratie, wenn die allgemeinen Grundrechte, wie wir es vor nicht allzu langer Zeit erlebt haben, staatlicherseits einfach suspendiert werden? Kann man dann trotzdem von Demokratie sprechen? Oder kann man der Ansicht des „Gegenstandpunkt“ folgen und sagen, dass die bürgerliche Demokratie sowieso nie dazu gedacht war, eine „Volksherrschaft“ zu ermöglichen, sondern dass sie im Gegenteil nur dazu dient, vordergründig zu suggerieren, dass das Volk ein Mitspracherecht hat, dass es „wir“ sind, deren Wille in Gesetze gegossen wird – während es in Wirklichkeit der Wille ganz anderer ist – und dass die Demokratie auf nahezu perfekte Weise den „schwarzen Peter“ für unliebsame Entscheidungen an diejenigen weiterreicht, deren Willen umzusetzen sie vorgibt? Ist die Demokratie somit lediglich die Legitimationsbasis für die Umsetzung und Anwendung von Herrschaft, die sich so weit vom „Volkswillen“ entfernt aufhält, wie der Proletarier vom „World Economic Forum“?

Gekrönte Häupter. Macht Corona die Gesellschaft autoritärer?

20200514_Kontrolle(Direkt zum aktuellen Text: 200515_LC_Militarisierung)

 

In diesen Tagen treffen uns rätselhafte und widersprüchliche Botschaften. Nein, die, dass Corona aus dem All käme, ist ja harmlos. Schwieriger ist die grundsätzliche Verwirrung, die um sich greift: Die einen verteidigen mehr oder minder bedingungslos die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie,  andere lehnen sie – aus verschiedensten Gründen – ab. Wieder andere sehen vielleicht tatsächlich allein finstere Mächte am Werk, die sich den ganzen Spuk nur aus Boshaftigkeit ausgedacht haben. Allgemein fällt es allen schwer, die Logik der staatlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Krise zu erkennen  und noch schwerer fällt es, Alternativen zu entwickeln.  „Alternativlos“ ist das  Schlagwort aller Regierungen seit Jahrzehnten. Alle Katastrophen, alles Leiden und Sterben wird als technisches Problem (Klimawandel), oder jetzt als medizinisches Problem dargestellt. Solange wir das so sehen, gibt es tatsächlich keine Alternative zu Elektro-Rollern und obligatorischen Impfungen. Nur: Das Herumdoktorn an Symptomen (wie dem Klimawandel usw.) ist keine Lösung, sondern verschiebt die Probleme und macht sie somit  letztendlich größer. Die Katastrophen sind dagegen Ausdruck der sozialen Probleme unserer Gesellschaft. Die Suche nach Lösungen muss also auch genau da ansetzen.

Die „Hygiene- Demos“ ab Ende März in Berlin haben wir bis vor kurzem gar nichts so richtig wahrgenommen. Aber nun ist die Debatte um die Legitimität staatlicher Zwangsmaßnahmen auch nach Hamburg geschwappt. Diese Demonstrationen – wie auch die Kritik daran – verweisen unseres Erachtens auf die Notwendigkeit der Einordnung der Corona-Maßnahmen in einen größeren politischen Rahmen. Hier scheint es, bedingt durch generationenspezifisch unterschiedliche politische Erfahrungen, zu generationenspezifisch unterschiedlichen Einschätzungen zu kommen.

Velten Schäfer stellt den Streit um die Deutung in der Zeitung „Neues Deutschland“ ebenfalls in einen Zusammenhang unterschiedlicher Erfahrungen von Generationen:

Zu den Merkwürdigkeiten der »Corona-Krise« gehört ihr absurder Effekt auf die gesellschaftliche Linke. Gerade »Ältere« – die selbst, soweit man das weiß, ja eher zu den »Risikogruppen« zählen – scheinen zuweilen fast mehr als vom Virus selbst davon erschreckt zu sein, wie schnell, weitreichend und widerstandslos Grundrechte suspendiert werden können und wie stark die jeweiligen Machthaber davon profitieren. Die »Jüngeren« dagegen, die persönlich weniger gefährdet sind, neigen offenbar häufig dazu, der existenziellen Bedrohung durch die Infektionskrankheit alles unterzuordnen und eher noch konsequentere »Maßnahmen« zu fordern.“

„Die heute älteren Traditionen der Linken – rund um die »Neue Linke« der 1960er und 1970er Jahre – haben als Kristallisationspunkt den Widerstand gegen die Notstandsgesetze von 1968. In der jüngeren Tradition gilt hingegen gerade das Ausrufen von Notständen – von Beschneidungen des politischen Prozesses durch die Exekutive – als Mittel gesellschaftlicher Transformation. Am sichtbarsten wurde dies zuletzt in der Klimafrage. So schließen sich diese Jüngeren zunehmend unkritisch vermeintlichen Maßnahmen-Champions à la Markus Söder an, während jene Älteren plötzlich neben den Neoliberalen stehen, denen es freilich weniger um demokratische Rechte geht als um das Wiederanfahren der Profitwirtschaft.

Schäfer plädiert dafür, die sozialen Auseinandersetzungen in den Mittelpunkt zu rücken:

Gefragt ist jetzt »Massenpolitik«. Also der Versuch, auf allgemeine, große Schalter zu drücken, an die eine Mehrheit angeschlossen ist. Diese Politik des kleinsten Nenners – Abwehr der Austeritätsoffensive – ist nicht alles, ohne sie ist aber alles nichts. Zurückstehen muss einstweilen die politische Logik jenes »Movementismus«, der die vergangenen zwei Jahrzehnte bestimmte. Es ist für den Moment höchst kontraproduktiv, nicht auf das Allgemeine zu zielen, sondern auf das Besondere, die Differenz.
An jener Mehrheit, um deren Köpfe nun gerungen werden muss, wird einem nicht alles gefallen. Doch sind Themen wie etwa Gesundheit und Rente für nationalistische Kampagnen schwierig, weil es um Beitragssysteme geht und nicht um staatsbürgerschaftliche [Systeme]. Der momentane Abstieg der AfD, bislang der erfreulichste Effekt der Krise, wird sich verstetigen, wenn der Fokus auf diesen Für-alle-Themen ruht. Und vielleicht findet sich in dieser gemeinsamen Abwehrschlacht jenes bislang notorisch abwesende Element, das das sprichwörtliche »Mosaik« der emanzipatorischen Bewegungen zu wirksamer Bündelung führt.

Brot und Butter: Die Linke muss sich auf den Verteilungskampf vorbereiten, der nach der Krise droht.  Neues Deutschland, 25.04.2020

Wir denken, dass es nicht allein um die Frage der Verteilung des Kuchens geht, sondern vor allem um die Frage, wie „Tag für Tag in der Backstube gearbeitet wird“. Von diesem Alltag aus muss sich Widerstand entwickeln. Genau daran muss man weiterdiskutieren!

Unsere Gedanken dazu findet ihr hier: (200515_LC_Militarisierung)

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Ein paar Quellen zum Nachlesen:

Militarisierung der bundesdeutschen Innenpolitik. Der Inlandseinsatz der Bundeswehr wird konsequent vorbereitet“. Beitrag von Frank Brendle (u.a. Landessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft Berlin-Brandenburg) von 2008

Die Informationsstelle Militarisierung e.V. in Tübingen beschäftigt sich seit Jahren auch mit der Militarisierung der deutschen Innenpolitik,

z.B. „An der Grenze der Verfassung und darüber hinaus“ von Martin Kirsch, 2020

Die staatliche Strategie des Umgangs mit einer Virus- Pandemie ist unter der Hoheit des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schon 2007 festgelegt worden. Man kann sich darüber erzürnen, dass die Warnungen vor einem Mangel an Schutzkleidung in den 13 Jahren danach nicht ernstgenommen wurden. Interessanter ist jedoch, sich den Rahmen zu verdeutlichen, in dem staatliche Katastrophenhilfe heute stattfindet: Unternehmer, staatliche Institutionen, Hilfsorganisationen und das Militär planen den Katastrophenfall. Um „uns“ geht es dabei zu allerletzt.

Auswertungsbericht zur Übung Lükex 2007

Zum Schluss noch das offizielle Strategiepapier eben dieses Bundesamtes aus dem Jahr 2010, besonders der Punkt „Zivil- Militärische Zusammenarbeit“

Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland

 

Manipulation, Desinformation, Fake News – Welche Rolle spielen die Medien?

Diskussion auf der Grundlage eines Beitrages von J. Becker im Sammelwerk „Fassadendemokratie und Tiefer Staat“ von Mies & Wernicke (Hg.)

FassadendemokratieImmer sichtbarer wird die schleichende Transformation demokratischer in autoritäre Staaten. Regierungen unterwerfen sich immer offener den Interessen des Kapitals – wenn nicht die Regierungsvertreter gleich aus den Reihen der Wirtschaft und Industrie rekrutiert werden und man sich so den unnötigen Umweg über Lobbyismus und Schmiergeldzahlungen spart (s. Frankreich, USA usw.). Diese Entwicklung, ihre Ursachen und Möglichkeiten der Intervention möchten wir primär auf der Basis des Buchbeitrages von Jörg Becker zur Rolle der Medien im o.g. Buch diskutieren. Er verweist darauf, dass durch die engen Verbindungen zwischen Regierungen und PR-Agenturen der massive Verfall der Demokratie gezielt befördert wird. Doch Propaganda, Meinungsmanipulationen, Desinformationen und Fake News sind durch Aufklärung und eigene, objektive Meinungsbildung zu verhindern. Damit wollen wir am heutigen Abend beginnen.

Dienstag, 26. Februar 2019, 19:30 Uhr

Mieterpavillon, Friedrich-Naumann-Str.7