Arbeit – Krisen – Notstand – …Lohnstreiks – reicht das??

Diskussionsveranstaltung
Dienstag, 28.März 2023, 20 Uhr
Mieterpavillon, Friedrich-Naumann-Straße 7

In vielen Branchen laufen zur Zeit tarifliche Streikkampagnen. Die mittlerweile abgeschlossenen Tarifverträge pendeln sich bei Erhöhungen um die 5% plus vom Staat und den Sozialversicherungen subventionierte Einmalzahlungen ein. Gerade für die wenig Verdienenden ist das zu wenig, um die enorm gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen. Einen „Wohlstandsverlust“ nennt das die Politik…

So wenig, wie explodierende Gewinne von Energie- und Rüstungskonzernen „Zufallsgewinne“ sind, ist Verarmung eine „Zufallsverarmung“. Die Politik will die grundsätzliche Krise der neoliberalen Gesellschaft auf dem Rücken der lohnabhängigen Bevölkerung lösen. Daher sehen wir in den letzten Jahren eine zunehmend autoritäre Politik im Namen immer häufigerer Notstände.

Erklärungsbedürftig ist allerdings, dass keine Streikbewegung sichtbar ist, die sich gegen die politischen Rahmenbedingungen richtet, trotz einer hoch politisierten Stimmung, z.B. gegen die autoritäre Corona- Politik der letzten drei Jahre und die deutsche Kriegsbeteiligung inklusive Energieboykott und sonstige Sanktionen gegen Russland.

Warum ist das so?
Es hat damit zu tun, dass es der deutschen politischen Klasse gelungen ist, ihre Art der Krisenbewältigung in einen hoch moralisierenden Diskurs zu verpacken, der tiefgreifende Auswirkungen auch innerhalb der Belegschaften hinterlassen hat.
Um beizutragen, die Konflikte auf und um die Arbeit wieder mit den Konflikten um die politische Gestaltung der Gesellschaft zusammenzubringen, wollen wir die Auswirkungen der militarisierten Innenpolitik auf die Arbeitswelt diskutieren.
Als Hintergrund stellen wir kurz die rechtlichen und technischen Seiten des „Notstandes“ dar. Anschließend skizzieren wir, welche Tabus in den Arbeitsbeziehungen in den letzten Jahren gebrochen wurden und welche Folgen das für die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen hat(te).

Wir hoffen auf eine Diskussion, wie wir, von unserer Arbeitssituation ausgehend, die beiden Seiten zusammenbringen können: den Widerstand gegen die materielle Verarmung und gegen den politischen Autoritarismus!

Ein paar Links zu den Hintergründen:

Zu den Notstandsgesetzen unser Beitrag: „Hygiene- Demos, der Notstand und das Grundgesetz“ vom 16.05.2020
https://laiensclub.files.wordpress.com/2020/05/200515_lc_militarisierung.pdf

Gesetz zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung (Arbeitssicherstellungsgesetz)“
https://www.gesetze-im-internet.de/asg/BJNR007870968.html

Zur Debatte um das Streikrecht in der „Kritischen Infrastruktur“:

Wen wundert’s: Vor allem Unions- und Grünen-Anhänger für Einschränkung des Streikrechts…
Umfrage: Mehrheit für Einschränkung des Streikrechts
https://www.report-k.de/umfrage-mehrheit-fuer-einschraenkung-des-streikrechts/

Die Debatte läuft schon ein paar Jahre:
Das Streikrecht ist nicht mehr zeitgemäß
Bundeszentrale für politische Bildung, 13.10.2015
https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/netzdebatte/213631/das-streikrecht-ist-nicht-mehr-zeitgemaess/

Einsatz der Bundeswehr im Innern:
Neues Territorialkommando: Truppenaufmarsch, Inlandseinsätze und Reformvorhaben
IMI- Analyse Nr. 32/2022 – 23.6.2022)

Bundeswehr will schnellstens bis zu 12.000 Einsatzkräfte für die fehlenden Stellen in den Kliniken und Gesundheitsämtern mobilisieren – sie stellt zunehmend die Reservearmee von Arbeitskräften für den Öffentlichen Dienstleistungssektor
Beitrag auf der Seite des Gewerkschaftsforums Dortmund, 1.12.2021
https://gewerkschaftsforum.de/bundeswehr-will-kurzfristig-bis-zu-12-000-einsatzkraefte-fuer-die-fehlenden-stellen-in-den-kliniken-und-gesundheitsaemtern-mobilisieren-sie-stellt-zunehmend-die-reservearmee-von-arbeitskraef/

Kriegswirtschaft:

Rutscht Deutschland in die Kriegswirtschaft?
14.03.2023
https://www.telepolis.de/features/Rutscht-Deutschland-in-die-Kriegswirtschaft-7545499.html

Den Binnenmarkt krisenfest machen: ein solides Instrumentarium für
Europa zur Sicherung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs und
der Verfügbarkeit relevanter Waren und Dienstleistungen

Presserklärung der Europäischen Kommission, 19. September 2022
https://luxembourg.representation.ec.europa.eu/actualites-et-evenements/actualites/un-marche-unique-resistant-aux-crises-leurope-se-dote-dune-serie-doutils-calibres-pour-proteger-la-2022-09-19_de

Chips Act der EU-Kommission und Halbleiter-Paket
Euractiv, 24.09.2022
https://www.euractiv.de/section/innovation/news/leak-chips-act-der-eu-kommission-und-halbleiter-paket/

EDIRPA: Nächster Illegaler EU-Rüstungstopf in der Mache
in: AUSDRUCK – Das IMI-Magazin
Ausgabe März 2023
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Maerz2023-web.pdf

Zeitenwende oder Seitenwende? Linke Politik in Krisenzeiten

Diskussionsveranstaltung
Dienstag, 28.Februar 2023, 19.30 Uhr
Mieterpavillon, Friedrich- Naumann- Straße 7

Wir erleben seit drei Jahren eine „Zeitenwende“. Vieles in diese Zeit ist keine Wende im engeren Sinne, sondern eine Verschärfung der Krise der (finanz-) kapitalistischen Gesellschaft. Auch das Führen von Kriegen ist keine Wende. Die Wende findet sich vor allem im völligen Kollaps einer gesellschaftlichen Opposition, die der Gesamtheit der sozialen und politischen Probleme angemessen wäre.

Es haben sich im Laufe der letzten Jahre verschiedene Oppositionsbewegungen gebildet. Die Einschätzung, wer jeweils die soziale Basis gebildet hat und welches die Gründe für das Engagement vieler Menschen war, soll eines unserer Themen sein. Das andere Thema ist die darüber entbrannte Auseinandersetzung. Ab dem Herbst 2021 war der Vorwurf der „Querfront“ virulent gegenüber allen linken Versuchen, sich auf die eine oder andere Art positiv mit der Tatsache einer politischen Opposition auseinanderzusetzen. Vorgebracht wurde der Vorwurf von einer breiten Koalition einer grün- neoliberalen Regierung (ab Dezember 21) und einer lautstarken Fraktion innerhalb der Linkspartei und der linken Szene allgemein. Der Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht, über die zu diskutieren wir euch einladen.

Schließlich wollen wir einen Aspekt in den Mittelpunkt stellen: Die staatliche Politik gegenüber Corona und als Partei eines Krieges hat vielfältige Konsequenzen auf die Arbeitsverhältnisse und -beziehungen sowie auf das Gefüge der staatlichen Sozialsysteme. Nicht umsonst wurde von der Politik seit Corona (!) von der Notwendigkeit einer „Kriegswirtschaft“ gesprochen. Damit wollen wir die Frage aufwerfen, in welchem Zusammenhang die staatliche „Politik“ und die „sozial- materiellen“ Bedingungen der lohnabhängigen Klasse stehen und wo Gelegenheiten für ein gemeinsames Agieren hätten liegen können oder heute noch liegen.

Die Stellungnahme des Jour Fixes unter dem Titel „Der Geist ist aus der Flasche“ findet ihr hier:
https://gewerkschaftslinke.hamburg/2023/01/18/stellungnahme-von-jour-fixe-gewerkschaftslinke-auf-anwuerfe-wie-querfront-rechtsoffen-schwurbler/

Einen Tag nach unserer Veranstaltung in Heimfeld wird der Jour Fixe seine Stellungnahme öffentlich diskutieren, und zwar am
Mittwoch, 1.März 2023 um 18.30 Uhr im Curio- Haus, Rothenbaumchaussee 11 (im Hinterhaus)

Falls jemand Lust haben sollte, die Einladung weiterzuverteilen, freuen wir uns sehr!

Eine Fassung zum Ausdrucken findet ihr hier:

Der Spagat. Der „heiße Herbst“ von links zwischen politischer Anpassung und sozialpolitischen Forderungen

Diskussionsveranstaltung
Dienstag, 29.November 2022, 19.30 Uhr
Mieterpavillon, Friedrich-Naumann-Str.7

Im Sommer wurde von der Regierung und den Medien unisono vor einem „heißen Herbst“ gewarnt. Es wurden einerseits die „berechtigten Ängste und Sorgen“ breiter Bevölkerungsschichten angesichts einer galoppierenden Inflation hervorgehoben. Andererseits wurde gewarnt, dass politische Gruppierungen den Unmut aufgreifen und den Staat an sich „delegitimieren“ könnten. Die Richtung war damit vorgegeben: Forderungen nach sozialpolitischer Abfederung der Krisenfolgen sind legitim, während eine Infragestellung der staatlichen Politik inakzeptabel ist und sanktioniert wird: Die Beobachtung von sog. „Delegitimierern“ durch den Verfassungsschutz soll alle, die im Staatsdienst oder nahestehenden Institutionen arbeiten / arbeiten wollen, einschüchtern. Allen anderen hatte Kanzler Olli Scholz mitzuteilen, dass Niemand die Absicht habe, die Bundeswehr gegen Protestler einzusetzen

Sehr spät haben linke und liberale Gruppen angefangen, Protestkundgebungen zu organisieren – vor allem, um zu zeigen, dass es nicht nur „rechte“ Antworten auf die Krise gebe.

Ein „heißer Herbst“ ist bislang ausgeblieben; zum einen gibt es vor allem in Ostdeutschland seit den Protesten gegen die Coronapolitik des Staates eine Kontinuität von wöchentlichen Spaziergängen und Kundgebungen. Es ist bemerkenswert, dass sie über so lange Zeit regelmäßig und vor allem in vielen kleineren Städten und Orten stattfinden. Die Teilnehmerzahl hat sich nach einem Höhepunkt am 3.Oktober in etwa eingependelt, sie ist stabil oder stagniert, je nach Blickwinkel.

Zum anderen haben linke und liberale Gruppierungen mit relativ großem Aufwand auf zentrale Kundgebungen in Großstädten gesetzt. Die Resonanz hier ist eher bescheiden: In Hamburg folgten am 29.10. etwa 2000 Menschen dem Aufruf eines Bündnisses „Solidarisch aus der Krise“. Bei 70 (!) aufrufenden Organisationen von Gewerkschaften bis nahezu allen örtlichen linken Gruppierungen spricht das nicht dafür, dass diese Organisationen außerhalb ihres eigenen unmittelbaren Organisationszusammenhanges Menschen mobilisieren konnten.

Hier wie da zeichnen sich die Proteste bislang dadurch aus, dass sie vor allem Forderungen an den Staat formulieren, dass sie reine Straßenproteste sind und keine Formen sozialen Widerstandes in Betrieben oder in der Stadt widerspiegeln. Weder die einen noch die anderen richten sich nach außen und rufen zu sozialer Organisierung auf. Anders als in Ländern wie Italien, Frankreich, Großbritannien, Griechenland… gab es hier noch keine größeren Streiks und sozialen Proteste. Warum nicht?

Warum ist das so? Wo finden wir uns wieder? Was wäre unserer Meinung nach wichtig, zu tun?

Wir wollen uns zunächst die ganze Spannbreite der Reaktionen auf die aktuelle politische und soziale Krise anschauen. Wir beginnen mit den Forderungskatalogen verschiedener im weitesten Sinne linker Kampagnen. Diese sind überwiegend auf sozialpolitische Forderungen wie staatliche Einmalzahlungen, Einkommensverbesserungen für Bezieher staatlicher Transferleistungen, Deckelung der Preise für die Grundbedürfnisse und eine staatliche Finanzierung der „öffentlichen Daseinsvorsorge“ fokussiert. Wir wollen schauen, ob dort in sich schlüssige Konzepte formuliert werden.

Auf der anderen Seite des Spektrums steht die AfD, die sich gegen die deutsche Kriegsbeteiligung als wesentliche Ursache der wirtschaftlichen und sozialen Krise ausspricht, gleichzeitig aber für eine äußerst restriktive Sozialpolitik plädiert.
Siehe Beitrag der ehemaligen Junge Welt – Redakteurin Susan Bonath: „Alternative Zwangsarbeit“:

Dann wollen wir skizzieren, was die sozialpolitischen Kernelemente der staatlichen „Schutzschirme“, „Entlastungspakete“ und der diverses „Wumms!“- Maßnahmen ausmacht.

Im letzten Teil kommen wir auf die Frage zurück, was uns wichtig wäre.
Folgendes Flugblatt vom Jour Fixe der Gewerkschaftslinken führt einige Fragen auf:

Inhaltlich könnte sich eine Diskussion um Perspektiven daran anknüpfen, dass die Weltwirtschaft mit ihrer neoliberalen Börsen- und Finanzwirtschaft offensichtlich an ihr Ende kommt. Vielerorts ertönt mehr oder minder zaghaft der Ruf nach „Verstaatlichung“ oder „Vergesellschaftung“ einzelner Wirtschaftszweige. Je nach Krisenkonjunktur die Gesundheitsbranche, Energiewirtschaft oder Lebensmittelindustrie. Von der Politik aufgenommen wird seit der Finanzkrise 2008 der Ruf nach Verstaatlichung – allerdings nur in einer Form, die die angehäuften Schulden dem Staat aufbürdet und ohne eine auch nur ansatzweise Änderung der Wirtschaftsweise.

Zu dem Dilemma einer „Verstaatlichung“ siehe: „Verstaatlichung – verworfen, gefordert, umgesetzt und nun?“

Die Forderung nach einer „Vergesellschaftung“ geht wesentlich weiter, allerdings fußt sie bislang leider nicht auf realen Kämpfen. Das ist das große Manko; wenn wir uns in der Geschichte bewegen, hat die politische Parole der russischen Bolschewiki „Alle Macht den Räten!“ nur wirken können, weil in der (gescheiterten) Revolution 1905 in vielen Fabriken und Städten Räte als Organisationsform entstanden sind. Als Kampagne ohne diese tatsächliche Entwicklung hätte sie kaum ihre Wirkung entfalten können!

Wir können sich noch zu entwickelnde Organisationsformen nicht vorwegnehmen, aber wir können diskutieren, vor welchen Problemen wir stehen und in welcher Richtung eine Perspektive liegen könnte!